
Philipp Treu hatte noch versucht zu verhindern, was kaum noch zu verhindern war: St. Paulis Schienenspieler rannte zu Tobias Stieler, zeigte dem Schiedsrichter, dass er sich gerade eine blutige Schramme geholt hatte. Im Kölner Keller wurde die Szene gecheckt. Kurz darauf war nicht nur Treus Hoffnung dahin: Der Treffer von Karim Adeyemi zählte, Dortmund hatte innerhalb von acht Minuten die Hamburger in die Knie gezwungen. Mit 0:2 (0:0) verlor der abstiegsbedrohte Aufsteiger sein Bundesliga-Heimspiel.
FC St. Pauli seit fünf Bundesliga-Spielen sieglos
Wie schon eine Woche zuvor in Mainz (0:2), reichte auch am Samstag eine gute erste Halbzeit der Hamburger nicht aus, um sich aus der Krise zu schießen. Der Aufsteiger kassierte seine vierte Niederlage in Folge und wartet nunmehr bereits seit fünf Spielen auf einen Dreier.
Dass der Negativlauf gegen den BVB nicht endete, hatte die Elf von Trainer Alexander Blessin sich allerdings selbst zuzuschreiben. Zum wiederholten Male belohnten sie sich nicht, wie das heißt, wenn man zwar ganz ordentlich spielt, aber einfach das Tor nicht trifft.
Dabei hatte sich die Partie am Millerntor zunächst genau so entwickelt, wie Blessin sich das vorgestellt hatte. Giftig in den Zweikämpfen kauften die Gastgeber den Dortmundern den Schneid ab. Nach etlichen starken Balleroberungen tauchten die Nordlichter in der ersten halben Stunde mehrfach gefährlich im und am gegnerischen Strafraum auf. Vor allem Noah Weißhaupt stellte die Gäste mit seinem Tempo immer wieder vor große Probleme.
Hauke Wahl vergibt größte Chance zur Führung
Weniger Probleme – und das ist ein zentrales Problem St. Paulis – hatte der Champions-League-Club mit dem Verteidigen von Standardsituationen. Fünf Ecken und acht Freistöße brachten in der ersten Halbzeit nicht den erhofften Ertrag. Einmal hatte Dortmund Glück, dass Hauke Wahl frei stehend am zweiten Pfosten den Ball vorbei setzte (34.). Die Hamburger warten also weiter auf ihren ersten Torerfolg nach einem Standard.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der alles entscheidende Treffer ausgerechnet nach einem Freistoß der Hamburger fiel. Dortmund hatte den abgefangenen Ball lang aus der Gefahrenzone geschlagen. Treu ließ sich von Adeyemi die Kugel abjagen, der deutsche Nationalspieler wackelte anschließend Eric Smith aus und ließ auch Keeper NIkola Vasilj keine Abwehrchance (58.).
„Das war einfach schlecht von mir gemacht. Ich muss den Ball auf die Tribüne hauen.“
Philipp Treu
Verteidiger des FC St. Pauli
„Ich habe ein Schlag ins Gesicht bekommen. Das wollte ich dem Schiri noch mitgeben, ob da vielleicht irgendwas war“, erklärte Treu später, gestand aber sogleich: „Das war einfach schlecht von mir gemacht. Ich muss den Ball auf die Tribüne hauen.“ Blessin nannte es naiv, wie sich sein sonst so zuverlässiger Außenverteidiger in jener Szene hatte abkochen lassen.
Adeyemi avanciert zum Matchwinner des BVB
In der ersten Halbzeit war es noch Dortmunds Außenstürmer gewesen, der abgekocht worden war. Vier Minuten nach dem Wiederanpfiff aber hatte er bereits den Führungstreffer vorbereitet. Eine abgewehrte Flanke war an der Strafraumkante der Hamburger heruntergefallen. Adeyemi setzte sich gegen Siebe Van der Heyden durch und brachte den Ball vor das Tor, wo Serhou Guirassy die Kugel über die Linie drückte (50.).
Blessin und seine Spieler hatten zwar zuvor ein Foul an David Nemeth ausgemacht. Ein wenig waren die Hamburger aber auch selbst Schuld: Sie hatten sie sich nach dem Wiederanpfiff etwas zu weit zurückgezogen, sodass sich Dortmund überhaupt erst am Strafraum festsetzen konnte.
„Wir wussten, wer hier das erste Tor schießt, gewinnt“, erklärte BVB-Coach Niko Kovac später, ohne auszuführen, ob er die Statistik kennt, die ein weiteres Problem St. Paulis aufzeigt: Als einziger Bundesligist hat der Aufsteiger noch keinen Rückstand gedreht.
Dortmund feiert erstmals zwei Siege in Folge
Während der BVB erstmals in dieser Saison zwei Siege in Folge feierte, wartet der FC St. Pauli weiter auf das Ende seiner Ergebniskrise. „Das fühlt sich beschissen an, auch für mich“, sagte Treu. Dass der VfL Bochum und der 1. FC Heidenheim ebenfalls verloren haben und der Vorsprung des Tabellen-15. auf den Relegationsrang vier und auf den ersten Abstiegsplatz sechs Punkte beträgt, konnte ihn nicht trösten. „Darauf will ich gar nicht schauen, ich will einfach meine Spiele gewinnen. Wir sind mitten im Abstiegskampf“, sagte Treu gefrustet.
Die Kiezkicker traten zwar gerade in der ersten Halbzeit nicht wie ein Absteiger auf. Dass sie inzwischen allerdings seit 430 Minuten auf einen eigenen Treffer warten, ist mehr als bedenklich. „Da fehlt einfach ein bisschen Quäntchen Glück oder vielleicht eine Standardsituation, die wir einfach mal reinmachen“, erklärte Treu und wusste: „Wenn wir vorne liegen, ist das nochmal etwas anderes“
Blessin aber verwies auch darauf: „Wir haben schon in den letzten Spielen dumme Tore bekommen, die müssen wir abstellen.“ Denn: Inzwischen stellt der FC St. Pauli nicht mehr – wie lange Zeit – die zweitbeste Abwehr der Liga, sondern ist auf Rang vier abgerutscht. Die Baustellen werden also nicht weniger.