
Die Krise von Borussia Dortmund spitzt sich zu. Doch der neue Trainer Niko Kovac setzt weiterhin vor allem darauf, seine strauchelnde Mannschaft irgendwie starkzureden. Dabei sehen immer mehr Kritiker strukturelle Ursachen.
Es gibt nicht viel, worauf sich Fans und Wegbegleiter von Borussia Dortmund in der laufenden Saison verlassen können. Eines aber, versprach Niko Kovac, werde am Mittwoch, wenn seine Mannschaft gegen Sporting Lissabon um den Einzug ins Achtelfinale der Champions League spielt (18.45 Uhr/live DAZN), garantiert nicht passieren: dass Spieler erneut schweigen werden.
Sie werden sich nicht wie nach der 0:2-Niederlage beim VfL Bochum einfach so in den Feierabend verabschieden können. Am Samstag hatten die BVB-Profis abgesehen von den Fernsehinterviews, zu denen sie verpflichtet waren, nicht mit den wartenden Journalisten gesprochen.
„Unser Pressesprecher Sven Westerschulze und ich werden dafür sorgen, dass das in Zukunft wieder anders ist. Unsere Spieler werden sich euren Fragen stellen“, sagte der Dortmunder Trainer am Dienstag auf der Pressekonferenz vor dem Rückspiel in der Play-off-Runde gegen den portugiesischen Meister. Das Hinspiel vor einer Woche hatte der BVB 3:0 gewonnen. Da hatte Kovac noch geglaubt, die quälend lange Krise der Mannschaft, die er erst vor gut zwei Wochen übernommen hatte, sei beendet. Er sollte sich irren.
„Das Entscheidende im Leben ist, nach Niederlagen immer wieder aufzustehen. Manchmal braucht man dafür etwas länger“, erklärte Kovac. Auf die kickenden Angestellten seines neuen Arbeitgebers trifft das definitiv zu. Auf nahezu jeden vermeintlichen Aufwärtstrend folgt prompt der nächste Rückschlag. In Bochum ließ die Mannschaft nahezu alles vermissen: Entschlossenheit, Stabilität – und vor allem Haltung.
BVB mit individuellen Patzern
Die Ursache dafür, dass es einfach nicht gelingen will nachhaltig in Spur zu finden, sieht Kovac immer noch im mentalen Bereich – zumindest sagt er es so. „Wir machen nur wenige Fehler, aber die sind von der Auswirkung her immens“, erklärte der 53-Jährige. Dem ist kaum zu widersprechen. Gegen den VfB Stuttgart, dem ersten Spiel unter Leitung von Kovac, war es Waldemar Anton, der mit einem verunglückten Rückpass auf Torhüter Gregor Kobel eine Großchance des Gegners ermöglicht hatte. Später war dem Innenverteidiger ein Eigentor unterlaufen. Dortmund verlor 1:2. In Bochum war es Niklas Süle, der das zweite Gegentor verschuldete. Mit diesen individuellen Patzern brach dann das Selbstvertrauen der kompletten Mannschaft zusammen.
„Unsere Spieler haben wirklich eine hohe Qualität – aber derzeit ist der Kopf der ausschlaggebende Faktor“, so Kovac. Er werde sich deshalb nicht in die Runde der zunehmenden Kritiker einreihen, die wahlweise den Profis ihre Qualität oder ihre Mentalität absprechen – oder aber sagen, die Mannschaft sei falsch zusammengestellt worden. Letzteres hatte pikanterweise Ralf Rangnick getan – mit dem die BVB-Verantwortlichen vor der Verpflichtung von Kovac ein Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit geführt hatten.
„Die Vorstellung, dass die Spieler in Dortmund plötzlich eine schlechte Mentalität haben und gerne Spiele verlieren, glaube ich einfach nicht“, hatte der Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft bei WELT TV gesagt. Er sehe die Ursache woanders. „Man hat den Kader einfach nicht mehr stringent nach irgendeiner vorgestellten Spielweise zusammengestellt“, so Rangnick. Das wiederum ist eine Ohrfeige für die BVB-Verantwortlichen, für Sportchef Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl.
Insofern bleibt Kovac auch nicht viel anderes übrig, als weiterhin den Eindruck zu vermitteln, es liege an der Verunsicherung der Spieler, dass der BVB in 2025 fünf von sieben Bundesligaspielen verloren hat. Seine vordringlichste Aufgabe sei es, Selbstvertrauen zu vermitteln. Dies versuchte Kovac bislang auch, indem er dreimal die nahezu identische Startelf auf den Rasen schickte. Er reagierte lediglich auf Verletzungen oder Sperren.
Sabitzer nur auf der Bank?
Gut möglich, dass er auch gegen Sporting wieder so verfahren wird. Zumal Rami Bensebaini, der im Hinspiel ausgefallen war, und der angeschlagene Winterzugang Carney Chukwuemeka, immer noch nicht in der Lage scheinen, um über die volle Distanz zu gehen. Allerdings könnte eine ähnliche Formation wie in Bochum auch Wasser auf die Mühlen der Kritiker sein, die Kovac dies als fehlende Konsequenz auslegen dürften.
Ein Kandidat für die Bank könnte vor allem Marcel Sabitzer sein. Der Mittelfeldspieler, der in der Rückrunde der vergangenen Spielzeit zu den Leistungsträgern gehörte, spielt eine auffällig schwache Saison. Er sei im Gegensatz zu seinen Spielen in der österreichischen Nationalelf „fast nicht wiederzuerkennen“, hatte Rangnick gesagt. In diesem Punkt ist er sich mit Kovac einig. Der BVB-Trainer hatte Sabitzer am Samstag in Bochum bereits zu Halbzeit ausgewechselt. Allerdings ohne jeglichen positiven Effekt.