
Der SV Werder, der sich gerne als ein etwas anderer Verein im Profifußball inszeniert, erlebt dieser Tage genau das, was bei Traditionsklubs wie dem FC Schalke 04, dem Hamburger SV oder dem 1. FC Köln ganzjährig aufgeführt wird: das große Drama. Sicherheitshalber sei hier erwähnt: Das ist nichts Gutes.
Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Zwischen den Spekulationen, Werder würde mit seinem Trainer Ole Werner langfristig verlängern, und dem grün-weißen Krisentheater lagen nur sehr wenige Tage – und zwischen den Hoffnungen auf eine Rückkehr in den Europapokal und den berechtigten Zweifeln, ob diese Mannschaft dazu die nötige Klasse hat, lag kaum mehr als ein Monat.
Diese Stimmungsschwankungen sind rasanter als das Geschehen auf dem Rasen, wo Werder sein langsames Spiel nach vorne zuletzt einfach nur dadurch relativierte, dass man nach Ballverlusten im Spielaufbau noch sehr viel langsamer nach hinten verteidigte. So etwas führt schnell ins Verderben – und so muss man sich fragen, was da eigentlich nicht stimmt bei Werder.
Wie im Abstiegsjahr: Werder auf Platz 12
Die Antwort darauf gefällt nicht jedem, weder in der Mannschaft noch bei den Fans, im Trainerstab oder in der Vereinsführung. Aber wer sich mit der nötigen Ehrlichkeit an die Ursachenforschung begibt, der wird schnell merken, dass er hier kein Schwarz oder Weiß findet. Es geht vielmehr um schleichende Prozesse, an denen schon ein Florian Kohfeldt kurz nach seinem Bremer Höhenflug einst gescheitert ist. Auch das war ein wochenlanges Siechtum, bei dem man immer denken mochte: Ach, das muss doch jetzt bald wieder klappen! Aber dann folgte dem einen Tiefpunkt ein weiterer Tiefpunkt, bis der Verein – ohne jedes Gegensteuern – in der Zweitklassigkeit gelandet war. Ein unnötiger Abstieg, aber auch ein sehr logischer. Weil die Entwicklung in die falsche Richtung nicht gestoppt wurde.
Schein und Sein klafften damals bei Werder weit auseinander, und nun ist das seit einigen Wochen schon wieder so: Während in Bremen gerechnet wird, wie wenige Punkte es nur sind bis zu den internationalen Plätzen, spielt die Mannschaft offensiv wie defensiv schlechter als die potenziellen Absteiger Bochum und Heidenheim. Nur eines von acht Spielen im Jahr 2025 gewonnen zu haben, ist schwach – aber 1:8 Gegentore zuletzt aus den Spielen gegen Hoffenheim und Freiburg sind noch einmal eine andere Dimension. Wer nach der Heimniederlage gegen Hoffenheim so in Freiburg untergeht, vor allem in der zweiten Halbzeit, der kann nur froh sein, noch einen großen Abstand zu den Abstiegsrängen zu haben. Wobei hier der guten Ordnung halber erwähnt sei: Gesichert ist der Klassenerhalt noch nicht. Werder hat erst 30 Punkte, im Mai 2021 stieg man mit 31 Punkten ab. Und wie wurde damals gedacht, zwischen März und Mai? „Das muss doch jetzt bald wieder klappen…“ Damals wie heute stand Werder nach 23 Spieltagen trügerisch beruhigend auf Platz 12.
Dass Ole Werner nach dem Debakel in Freiburg deutlich von der Mannschaft und einzelnen Spielern abrückte, war verständlich und überfällig, aber auch mutig. Ein Trainer kann das nicht zweimal machen – kommt nach so einem Ausraster keine Reaktion auf dem Feld, dann hat er sich selbst angezählt. Werner hat grundsätzlich recht: Das Tun und die Körpersprache einiger Spieler ist schlecht, sie zeigen öfter eine abfällige Handbewegung, als dass sie einen klugen Pass spielen oder ein wichtiges Laufduell gewinnen. Andererseits: Es ist ja Werner, der diese Spieler immer wieder aufstellt, wie Kohfeldt damals, und der es seit Monaten versäumt hat, einen echten Konkurrenzkampf zu entfachen. Mehrere Spieler können sich im Prinzip alles erlauben, sie spielen trotzdem immer. Ob sich daran im Pokalspiel in Bielefeld etwas ändert?
Von diesem Spiel hängt für Werder nun viel ab – aber nur in eine Richtung: Bei einem Sieg gegen einen Drittligisten ist noch längst nicht alles gut, bei einer Niederlage aber würde sich das Gegeneinander verschlimmern. Eine Mannschaft, die gegen den Trainer spielt, könnte das ja nicht besser machen als in der zweiten Hälfte in Freiburg. Und ein Trainer kann nicht weiter von seinen Spielern abrücken. Dieses Verhältnis muss – durch Ergebnisse – ganz schnell eingerenkt werden, sonst ist es schwer zu kitten.
Ducksch muss spielen, das ist nun klar
Der Trainer kann es durch eine andere Aufstellung lösen, ein neuer Trainer würde das ohnehin tun, personell und vielleicht auch von der Grundordnung her. Die Spieler können es durch ihre Arbeit auf dem Feld lösen: Es reicht nicht, sich cool die Kopfhörer in die Ohren zu stecken und vor dem Spiel den Rasen abzuchecken, wie es die Großen in der Champions League machen. Man muss dann auch abliefern: taktisch, physisch und geistig professionell.
Und, ja: Marvin Ducksch gehört wieder in die Startelf, das ist nun quasi erwiesen, weil Werder keinen Besseren hat. Die anderen hatten in Freiburg die Chance, selbst mal die Ecken, Freistöße und Elfmeter zu schießen. Und zwar besser. Es wurde ein Debakel.
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