
TSG-Boss Andreas Schicker (38) spricht im SPORT-BILD-Interview über Vorreiter Nagelsmann, die Dildo-Rede von Trainer Ilzer und Telefonate mit Hopp.
SPORT BILD: Herr Schicker, wie gefällt Ihnen eigentlich das Landleben im Kraichgau?
Andreas Schicker: Ich bin ja in Österreich auf dem Dorf aufgewachsen. Da gab es ähnlich viele Einwohner wie hier. Ich finde die Gegend sehr schön. Es gibt viel Natur. Dazu hast du mit Heidelberg eine super Stadt in der Nähe.
Zuletzt ist in Verbindung mit der TSG Hoffenheim oft der Begriff „Wohlfühloase“ gefallen. Können Sie das erklären?
Wenn man nach Zuzenhausen in die Geschäftsstelle fährt, steht hier mitten in der schönen, grünen Landschaft das Trainingszentrum mit einer Top-Infrastruktur und vielen innovativen Möglichkeiten, wo man in Ruhe sehr gut arbeiten kann. Da kann man es sich aber auch schnell gemütlich machen. Fußball sollte aber unbequem sein. Wir haben hier wirklich Top-Bedingungen, und diese müssen wir bestmöglich nutzen.
Von außen wirkt die ganze Hoffenheimer Saison komplett verkorkst. Im Sommer gab es das Bosse-Beben, in dem u. a. Ihr Vorgänger Alexander Rosen entlassen wurde. Kurz danach hat der Verein für rund 60 Mio. Euro neue Spieler gekauft – und ist trotzdem abgestürzt. Wie nehmen Sie die Stimmung im Klub wahr?
Wenn es Veränderungen gibt, stehen denen natürlich nicht alle von Beginn an offen gegenüber. Nachdem, was im Sommer passiert ist, war es klar, dass nicht alles im ersten Moment ruhig sein würde, als ich als Geschäftsführer Sport im Oktober übernommen habe. Es sind viele Sachen passiert, wo ich Verständnis für die Mannschaft habe. Das Wichtigste ist jetzt aber auch, dass wir nach der 0:4-Pleite gegen Union Berlin alle zusammengerückt sind und seither sieben Punkte aus den letzten drei Bundesliga-Spielen geholt haben. In der Rückrundentabelle rangieren wir derzeit sogar auf Platz sieben. Für uns heißt es jetzt, diese positive Tendenz fortzusetzen.
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Wie haben Sie auf Hoffenheim geschaut, bevor Sie dorthin gewechselt sind?
Ich habe den Verein schon verfolgt, als Ralf Rangnick noch da war. Und dann natürlich die Zeit mit Julian Nagelsmann, als der Klub es in die Champions League geschafft hat. Mit Julian stand der Verein für etwas und hat auch über die Grenzen der Bundesliga hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt.
Ist so etwas auch mit Christian Ilzer möglich?
Warum nicht? Wir sind jetzt in einer Phase mit einem neuen Trainer und einer neuen Idee. Das braucht ein bisschen Zeit. Im Winter hatten wir jetzt eine Transferphase, nach der ich sagen kann, dass es in die richtige Richtung geht.
Mit Ex-Klub Sturm Graz wurde Ilzer 2024 Meister – mit Hoffenheim hat er in 14 Liga-Spielen 16 Punkte geholt
Ein großes Thema ist nach wie vor die Stadion-Auslastung, die nur bei 82 Prozent liegt. Kein Verein in der Bundesliga steht schlechter da. Haben Sie sich auch deswegen für Ilzer als Trainer entschieden, weil er Emotionen mitbringt, die auf den Rängen fehlen?
Chris ist ein emotionaler Trainer mit einer klaren Spielidee. Er will aktiven und mutigen Offensivfußball spielen lassen, der auch zur Mannschaft passt. Ich bin überzeugt davon, dass diese Spielidee dazu beitragen wird, die Menschen in der Region wieder mehr für die TSG zu begeistern.
Lassen Sie uns über die Motivationsrede sprechen, die Ilzer vor dem Spiel gegen Freiburg, dem 1:1 im Dezember, gehalten hat. Damals hat er einen Zaubertrank in der Kabine angerührt, für den er u. a. Zutaten wie Chili-Schoten für „mehr Schärfe“ und einen Dildo für mehr „Kraft“ und „Männlichkeit“ verwendete.
Chris hat in dieser Besprechung versucht, mal eine andere Methodik zu wählen. Dabei ging es aber vor allem um Fußball. Grundsätzlich wird es sowieso kein Trainer schaffen, 20 von 20 Spielern emotional abzuholen. Und am Ende haben wir direkt danach ein gutes Spiel gegen den SC Freiburg gemacht. Das Thema ist für uns jetzt endgültig erledigt.
Wie sehr schmerzt der Abgang von Supertalent Tom Bischof, der im Sommer ablösefrei zu den Bayern wechselt?
Das tut natürlich weh. Ich habe am 10. Oktober 2024 hier angefangen. In dieser Phase hat er so gut gespielt, so schnell konnte ich die Gespräche überhaupt nicht führen. Ich saß mehrfach mit Toms Vater, Mutter und seinen Beratern zusammen. Am Ende haben wir es aufgrund Toms rasanter sportlicher Entwicklung leider nicht geschafft, mit ihm zu verlängern. Seine sehr guten Leistungen in den vergangenen Wochen zeigen aber seinen starken Charakter und dass er bis zum letzten Spiel alles für die TSG geben wird. Jetzt geht der Blick für uns alle aber nach vorne: Es wird auch wieder Talente geben, die uns wirtschaftlich Freude machen.
Wer hat Sie eigentlich von einem Wechsel nach Hoffenheim überzeugt?
Dietmar Hopp. Wir haben uns damals persönlich getroffen und uns intensiv über die TSG Hoffenheim ausgetauscht.
Wann gab es den ersten Kontakt?
Er hat mich circa vor einem Jahr angerufen und dann gefragt, ob ich mir das grundsätzlich vorstellen kann. Zu diesem Zeitpunkt war auch Werder Bremen ein Thema. Kurz nach dem Telefonat war ich dann mal für ein persönliches Kennenlernen hier. Letztendlich war es mir aber wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Ich wollte im vergangenen Sommer unbedingt die Transferphase in Graz zu Ende bringen. Ab September ist es dann intensiver geworden. Ich hatte immer das Gefühl, dass er das auch unbedingt umsetzen will.
Haben Sie heute immer noch regelmäßig Kontakt?
Ich fahre regelmäßig zu ihm, bei den Heimspielen sehe ich ihn auch. Dazu telefonieren wir in der Woche zwei- bis dreimal. Dietmar Hopp hat nicht nur die TSG, sondern auch die Region über Jahre hinweg maßgeblich geprägt. Er hat es aus meiner Sicht verdient, mitgenommen zu werden.
Haben Sie ihm den Klassenerhalt versprochen?
Ich weiß, dass das auch für ihn nicht einfach und eine angespannte Situation ist. Da habe ich ihm positiv zugeredet, weil ich davon überzeugt bin, dass uns der Klassenerhalt gelingen wird.