
Auf den FC St. Pauli wartet am Samstag (15.30 Uhr) ein „verdammt schweres Spiel gegen einen Gegner, der sehr viel individuelle Qualität und ganz andere Möglichkeiten hat als wir.“ Hat Hauke Wahl gesagt. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man vielleicht vermuten, die Hamburger treffen auf den FC Bayern München, Bayer 04 Leverkusen oder Eintracht Frankfurt. Der Aufsteiger aber ist am 25. Spieltag nicht bei einem der Top-drei-Klubs der Fußball-Bundesliga zu Gast, sondern beim VfL Wolfsburg (7.).
FC St. Pauli in fast jedem Bundesligaspiel Außenseiter
Wahl hat natürlich recht mit dem, was er da gesagt hat. Allerdings gilt dieser Satz im Hinblick auf die beschränkten Mittel der Hamburger für die allermeisten Duelle im Oberhaus: Nur Holstein Kiel und der 1. FC Heidenheim verfügen in etwa über ähnlich bescheidene finanzielle Möglichkeiten wie die Kiezkicker. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das Trio im Abstiegskampf befindet. In Wolfsburg geht es mithilfe der Millionen von VW unterdessen darum, sich für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Nach Jahren, in denen dieses Ziel regelmäßig verfehlt wurde, scheint es diesmal zu klappen.
Einen kleinen Lauf hätten die „Wölfe“ gerade, wusste Wahl, der mit seiner Elf nach dem 0:2 zuletzt gegen den BVB hingegen seit fünf Spielen sieglos ist. Auch damit liegt der Hamburger nicht falsch: Der VfL ist inzwischen seit sechs Spielen ungeschlagen, hat als Tabellensiebter vier Punkte Rückstand auf einen Champions-League-Platz, während St. Pauli nur vier Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang vorzuweisen hat. Insofern sind die Kräfteverhältnisse eigentlich klar verteilt. Wie vieles im Leben aber gilt auch vor dem Duell der beiden Nordklubs am Samstag: alles eine Frage der Perspektive.
VfL Wolfsburg lässt gegen Abstiegskandidaten Federn
Wolfsburg hat in neun Spielen nach der Winterpause zwar nur einmal verloren (2:3 gegen den FC Bayern), aber eben auch „nur“ drei Siege eingefahren. Und unter den fünf Unentschieden lässt sich auch ein 1:1 gegen den VfL Bochum und ein 2:2 gegen Holstein Kiel (nach 2:0-Pausenführung) finden. Überdies waren die Niedersachsen im Hinspiel in Hamburg nicht über ein 0:0 hinausgekommen. Insofern wartet auch kein übermächtiger Gegner auf die Kiezkicker.
Finanziell liegen zwischen beiden Klubs Welten, auch sportlich gibt es erhebliche Unterschiede – die sich unterschiedlich bewerten lassen: Der FC St. Pauli reißt von allen Bundesligisten die meisten Kilometer ab (kumuliert 2906,6 km), der VfL liegt in diesem Ranking auf dem drittletzten Platz (2748,8,). Die Hamburger betreiben also den größten Aufwand – der Ertrag aber ist gering: nur 18 Tore hat der Aufsteiger bislang geschossen (Platz 18), gibt überdies die zweitwenigsten Schüsse ab (262). Der VfL hingegen stellt mit 48 Treffern hinter dem FC Bayern (72), Bayer Leverkusen (55) und Eintracht Frankfurt (50) die viertbeste Offensive der Liga.
Mohamed Amoura schärfste Wolfsburger Waffe
Vielleicht aber laufen die Hamburger auch einfach nur mehr, um das eigene Tor vehementer zu verteidigen. St. Pauli stellt die viertbeste Abwehr und hat neun Gegentore weniger kassiert als Wolfsburg. Weil der Tabellen-15. zuletzt zwei Gegentore in Mainz und auch gegen Dortmund hatte schlucken müssen, dürfte es in Wolfsburg in erster Linie also darum gehen, dass hinten mal wieder die Null steht.
Dazu bedarf es wohl in erster Linie Kompaktheit im Zentrum. Denn: Wolfsburg schlägt von allen Bundesligisten die wenigsten Flanken (150), von den Flügeln droht also wenig Gefahr. Für Hauke Wahl und seine Abwehrkollegen wird es in erster Linie darum gehen, Mohamed Amoura auszuschalten, auch wenn beim 2:1 zuletzt gegen Werder Bremen sich Patrick Wimmer mit einem Doppelpack zum Matchwinner aufgeschwungen hatte.
Wolfsburgs Mohamed Amoura kann bereits 19 Torbeteiligungen vorweisen.
Foto: Tim Groothuis

Amoura, Nationalspieler Algeriens, ist mit 170 Zentimetern Körperlänge und 62 Kilogramm zwar eher ein Leichtgewicht, mit neun Treffern und zehn Vorlagen aber ein Schwergewicht bei den „Wölfen“. Im Hinspiel hatten die Hamburger den Angreifer allerdings abgemeldet, was daran gelegen haben mag, dass Blessin seine Abwehr gut auf den 24-Jährigen vorbereitet hatte: Bei Union Saint-Gilloise hat Amoura in 36 Einsätzen unter Blessin 17 Treffer erzielt.
Hauke Wahl betont: „Sind in einer guten Position“
In Wolfsburg werde man im letzten Drittel „ein bisschen besser“ sein und hinten „ein bisschen konsequenter verteidigen“ müssen, erklärte Wahl, ohne Schwarzmalerei zu betreiben. Nach vier Niederlagen in Folge hat sich die Situation im Abstiegskampf zwar verschärft, vor der Saison aber hätte man noch unterschrieben, mit einem Vier-Punkte-Polster auf den Relegationsrang in die Crunchtime zu gehen. „Wir sind in einer guten Position, das haben wir uns in den letzten Monaten erarbeitet“, sagte Wahl. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive, auch wenn der Druck zunimmt: Auf Bayern, Leverkusen und Frankfurt treffen die Hamburger noch.