

Arminia Bielefelds Coach Mitch Kniat spricht im DeichStube-Interview über das DFB-Pokal-Highlight gegen Werder Bremen, seine Vergangenheit in Bremen und Ole Werner.
Bremen/Bielefeld – Mitch Kniat ist aktuell bestens gelaunt – und das hat zwei Gründe: Einerseits mischt der Chefcoach von Arminia Bielefeld mit den Ostwestfalen mitten im Aufstiegsrennen der 3. Liga mit. Und andererseits lebt der Bielefelder Traum vom nächsten großen Wurf im DFB-Pokal: Im Viertelfinale empfängt die Arminia am Dienstag (20.45 Uhr, DeichStube-Liveticker) den SV Werder Bremen – und will den nächsten dicken Fisch aus dem Wettbewerb kegeln.
Arminia Bielefelds Trainer Mitch Kniat im DeichStube-Interview vor DFB-Pokal-Kracher gegen Werder Bremen
Im DeichStube-Interview erklärt der 39-Jährige, der bei einigen DSC-Fans trotz der guten Saison in der Kritik steht, wie er mit „Kniat raus“-Rufen im Stadion umgeht und verrät, woher er Ole Werner kennt und was ihn an Werder Bremen beeindruckt. Zudem spricht der Mann aus Eschweiler über die Anfänge seiner Trainer-Karriere beim Blumenthaler SV in Bremen.
Mitch Kniat, Tobias Schweinsteiger, mit dem Sie zusammen den Fußballlehrer gemacht haben, sagt über Sie, dass Sie total gut umswitchen können zwischen dem Privatmensch Mitch Kniat und dem Trainer, der auf dem Platz auftritt. Was genau meint er damit?
Wahrscheinlich, dass ich privat sehr, sehr locker und kein ganz unangenehmer Zeitgenosse bin (lacht). Ich finde, man muss einfach zusammen Spaß haben. Vor allem in der Kabine. Genauso weiß ich aber auch, dass ich als Cheftrainer schnell den Schalter umlegen kann und muss, wenn ich zum Beispiel eine Analyse mache oder eine Trainingsform leite. Auf dem Platz bin ich ein bisschen anders.
Es heißt, Sie können sehr unangenehm werden, wenn jemand nicht mitzieht. Wie äußert es sich, wenn Sie mal aus der Haut fahren?
So war ich schon als Spieler: Ich mag es nicht, wenn einer nicht einhundert Prozent gibt. Ein Ballverlust ist für mich gar kein Problem. Die Reaktion danach ist entscheidend. Wenn einer abwinkt auf dem Platz, kann ich das überhaupt nicht leiden. Fußball ist ein Teamsport, bei dem du nur gemeinsam viel erreichen kannst.
So wie Ihre Arminia im DFB-Pokal?
Ja, unsere Pokalsaison ist das beste Beispiel dafür, was passieren kann, wenn alle in dieselbe Richtung denken. Wir haben alle in jedem Spiel einen Schritt mehr gemacht als der Gegner und immer an uns geglaubt, dann kannst du als Arminia Bielefeld auch gegen Bundesligisten bestehen.
In der laufenden DFB-Pokal-Saison haben Sie nacheinander Hannover 96 (2:0), Union Berlin (2:0) und den SC Freiburg (3:1) ausgeschaltet. Was macht Sie im Pokal so stark?
Wenn man sich in der 3. Liga alle Mentalitätsstatistiken anguckt – damit meine ich die meisten absolvierten Kilometer, die meisten intensiven Läufe –, da sind wir überall auf Platz eins. Das ist die Handschrift, die man bei meiner Mannschaft erkennen soll. Die Sachen, die man beeinflussen kann, ohne dass man Talent hat, sind mir total wichtig. Wir werden im Pokal niemals einem Bundesligisten fußballerisch auf Augenhöhe begegnen. Aber kämpferisch und bei der Arbeit gegen den Ball, da sind wir auf Topniveau.
Arminia Bielefeld-Coach Mitch Kniat vor DFB-Pokal-Duell gegen Werder Bremen: „Ole Werner kam extrem motiviert rüber“
Beim 3:0-Sieg gegen 1860 München fehlten Sie zuletzt wegen Ihrer vierten Gelben Karte gesperrt. Wie schwer fiel es Ihnen, machtlos von außen zuzusehen?
Das hat mich extrem genervt und soll auch kein zweites Mal vorkommen. Für mich war es die schlimmste Situation, die ich bis jetzt als Trainer hatte. Aber meine tägliche Arbeit hat es nicht beeinflusst. Ich habe einen super Co-Trainer und einen super Staff um mich herum, der das gut aufgefangen hat.
Ihr Gegenüber bei Werder, Ole Werner, hatte zuletzt wegen Meckerns sogar eine Rote Karte und damit ebenfalls ein Spiel Sperre aufgebrummt bekommen. Kennen Sie sich eigentlich persönlich?
Ich kenne ihn nicht direkt persönlich, aber er war bei uns der Experte in unserem Fußballlehrer-Lehrgang. Ole Werner war für mich mit Abstand der interessanteste Gast. Der Weg, den er mit Werder eingeschlagen hat und wie er die Sache in Bremen angegangen ist, finde ich top. Er ist sympathisch und kam damals extrem motiviert rüber. Ich habe anderthalb Stunden total aufmerksam zugehört.
Warum war das so?
Ich kann mich noch sehr gut an einen Satz erinnern, den er gesagt hat: ‚Wenn ich einen Verein übernehme, dann muss ich erstmal gucken: Was sind die vorhandenen Baustellen? Und die versuche ich zu schließen, bevor ich neue Baustellen aufmache.‘ Die Aussage fand ich super interessant.
Inwiefern?
Als ich nach Bielefelds Zweitliga-Abstieg aus Verl verpflichtet wurde, hatte ich nur noch einen Spieler. Das war Fabian Klos, der Rest kam neu dazu. Die Aufgabe hier war also nicht ganz so einfach, wie es von außen schien. Alle hier im Umfeld sehen die Arminia als den ehemaligen Bundesligisten, der in kurzer Zeit in die 3. Liga abgestürzt ist und der jetzt sofort wieder aufsteigen muss. Aber unsere Situation war damals sehr angespannt. Wir mussten uns erstmal stabilisieren.
Arminia Bielefelds Trainer Mitch Kniat: „In schwierigen Phasen muss man von der Sache überzeugt bleiben“
Die sportliche Leitung stärkte Ihnen trotz wachsender Kritik bei den Fans den Rücken und Sie hielten knapp die Klasse. In der laufenden Saison läuft es nun deutlich besser: Arminia ist in der 3. Liga in Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen. Dennoch gab es zuletzt „Kniat raus“-Rufe. Was macht das mit einem?
Das lasse ich nicht an mich heran. Ich weiß auf jeden Fall, dass mein Trainerteam und ich hier immer am Anschlag arbeiten, dass wir von der Sache zu einhundert Prozent überzeugt sind. Alles andere darf mich in meiner täglichen Arbeit nicht beeinflussen. Wenn ich mich davon treiben lassen würde, wäre ich kein guter Trainer. Die 3. Liga ist extrem eng, da entscheiden oft Kleinigkeiten. Gerade in schwierigen Phasen muss man von der Sache überzeugt bleiben und darf keine wilden Sachen machen.
Sie sind jetzt seit rund 600 Tagen als Cheftrainer im Amt und damit länger als acht Ihrer direkten Vorgänger bei der Arminia. Was zeichnet den Club aus?
Arminia ist ein großer Traditionsverein mit riesiger Fan-Base. Es ist alles etwas größer, jeder einzelne Schritt von dir als Trainer wird hinterfragt, jede Aufstellung wird kritisch beäugt und diskutiert. Es geht sehr schnell in beide Richtungen – im Positiven wie im Negativen.
Am Dienstag gibt’s das Kontrastprogramm zum Liga-Alltag – im DFB-Pokal-Viertelfinale treffen Sie auf den SV Werder Bremen. Das Highlight Ihrer bisherigen Trainerlaufbahn?
Definitiv ja! Da brauche ich gar nicht drum herumzureden. Ich bin jetzt 39 Jahre alt und in meinem elften Trainerjahr, aber das ist klar mein absolutes Highlight.
Arminia Bielefelds Mitch Kniat vor DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Werder Bremen: „Hätte 1000 Karten besorgen können“
Bei Werder haben sich viele Fans das Los Arminia Bielefeld gewünscht. Hatten Sie einen Wunschgegner?
Nein, aber ich freue mich auf jeden Fall, gegen Werder zu spielen. Nicht, weil ich die gut oder schlecht finde, sondern einfach, weil ich einen großen Bezug zu Werder habe. Ich hätte bestimmt 1.000 Karten besorgen können, weil sich unfassbar viele Leute bei mir gemeldet haben. Meine alten Chefs aus einer Bremer Zeitarbeitsfirma haben zum Beispiel beide Karten bekommen, weil ich immer gesagt habe, wenn ihr mal irgendetwas von mir braucht, meldet euch bei mir.
Zum Hintergrund: Sie waren einst eine Saison als Berufsfußballer in Bremen für den FC Oberneuland in der Regionalliga Nord aktiv, mussten dann aber plötzlich in Kraftwerken und einer Werft schuften und Fenster einbauen. Wie kam es dazu?
Genau, in Oberneuland hieß es damals ganz plötzlich, wir sind insolvent und wir bekommen kein Geld mehr. Wir mussten aber die Saison zu Ende spielen, das war schon krass. Da mussten wir zusehen, wie wir über die Runden kommen. Unser damaliger Trainer Peter Moussalli hatte eine Zeitarbeiterfirma und hat uns da glücklicherweise geholfen. Trotzdem war es eine ganz schwierige Zeit, wo ich wirklich sehr hart arbeiten musste. Ich habe aber nicht gejammert, die Situation angenommen und bin noch heute richtig dick mit Peter befreundet. Wir haben uns auch zusammen Werders Spiel gegen Hoffenheim (1:3, d. Red.) angeguckt.
Sie sind 2014 dem Ruf von Peter Moussalli gefolgt und haben als Spielertrainer beim Blumenthaler SV angefangen. Weckt das Duell gegen Werder Erinnerungen an die Zeit in Bremen?
Ja, auf jeden Fall. Es kommen ganz viele Freunde von mir aus Bremen zugucken. Wenn du einmal dort gelebt hast, weißt du: Jeder ist Werder-Fan. Es gibt nichts Anderes. Es war egal, ob wir mit Blumenthal samstags oder sonntags gespielt haben, alle hatten ihr Handy dabei und ich habe auf dem Platz sofort mitgekriegt, wenn Werder ein Tor geschossen hat. Ich glaube, wenn Werder ein Stadion hätte, wo 80.000 Fans reinpassen würden, wären auch jedes Mal 80.000 Menschen da.
Was zeichnet die Bremer sportlich aus?
Sie haben sich unter Ole Werner echt gefestigt. Heute hat die Mannschaft in meinen Augen wieder eine klare Handschrift vorzuweisen und steht gut da. Sie sind variabel, haben gute Spieler und Ole strahlt eine extreme Ruhe und Gelassenheit aus. Auch die Mannschaft zeigt, dass sie mit dem Dreieraufbau hinten sehr gut zurechtkommt. Zudem haben sie vorne natürlich auch Marvin Ducksch, der ist ganz gefährlich. Trotzdem werden wir uns auf uns konzentrieren, bevor wir uns Werder anpassen.
DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen Werder Bremen und Arminia Bielefeld – Mitch Kniat: „Alle sind heiß auf dieses Spiel“
Muss sich Werder am Dienstag also warm anziehen?
Es ist auf jeden Fall ein Riesenvorteil für uns, dass wir ein Heimspiel in Bielefeld haben. Ich glaube, das Spiel ist auch für alle Fans ein großes Highlight. Wenn ich an die Atmosphäre denke, die wir in den Pokal-Duellen davor gehabt haben, steigt die Vorfreude enorm. Alle sind heiß auf dieses Spiel.
Kennen Sie eigentlich jemanden persönlich beim SV Werder?
Nicht wirklich, eher von den kleineren Vereinen drumherum. Also beim Bremer SV, Oberneuland oder Blumenthal kenne ich viele Leute, bei Werder leider nicht.
Warum können Sie für Werder zum Stolperstein werden?
Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass Werder uns nicht unterschätzen wird. Ich weiß natürlich auch, dass sie der klare Favorit sind. Aber ich bin von meiner Mannschaft wirklich vollkommen überzeugt und wir können es mit dem Stadion im Rücken schaffen, dass wir alle über unsere Schmerzgrenze gehen. Für uns ist das kein Zusatz- oder Bonusspiel. Wir gehen das Ding so an, dass wir eine Runde weiterkommen wollen, um die Geschichte weiterschreiben zu können. (mwi)