Lars Ricken schwimmt sich frei

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Die wichtigsten Entscheidungen beim BVB wurden bisher in der sogenannten ‚Elefantenrunde‘ besprochen. Lars Ricken hat sie nun kurzerhand abgeschafft.

Dortmund – Rund um Borussia Dortmund war nach dem Kantersieg über Union Berlin am Samstagabend die Erleichterung groß. Die 6:0-Gala gegen die Eisernen war das erste große Statement unter Neu-Trainer Niko Kovač, mit dem die Mannschaft bewies, dass sie das Fußballspielen doch nicht verlernt hat.

Die Hoffnung auf eine Initialzündung ist gegeben, muss aber am Wochenende beim FC St. Pauli sogleich bestätigt werden. Schon zu oft hat der BVB in dieser Saison nach guten Spielen einen Rückfall erlitten.

Interessant war indes nicht nur, was am Samstagabend auf dem Spielfeld passierte. Am Seitenrand beendete Lars Ricken mit wenigen Worten eine jahrelange BVB-Tradition.

In der Elefantenrunde des BVB wurden schon Cheftrainer gestürzt

Der Sportchef bestätigte bereits vor der Partie beim TV-Sender Sky das Ende der sogenannten ‚Elefantenrunde‘ in Dortmund.

Üblicherweise einmal im Monat waren in den letzten Jahren die Granden beim BVB zu dieser Besprechung zusammengekommen, in der die Leitlinien der Entwicklung rund um die Profimannschaft entwickelt wurden. In den Elefantenrunden wurden Transferziele formuliert, auch Entscheidungen über den Trainerposten gefällt.

Als sich Dortmund und Chefcoach Marco Rose im Jahr 2022 völlig überraschend trennten, ging dem eine kritische Saisonanalyse in der Elefantenrunde voraus. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der heutige Sportdirektor Sebastian Kehl und sein Vorgänger Michael Zorc sowie Klubberater Matthias Sammer waren die ständigen Mitglieder der Runde, Rose wurde zur Analyse eingeladen.

Sportchef Lars Ricken hat bei Borussia Dortmund zuletzt diverse „unbequeme“ Entscheidungen getroffen.
Sportchef Lars Ricken hat bei Borussia Dortmund zuletzt diverse „unbequeme“ Entscheidungen getroffen. © IMAGO/Max Maiwald/DeFodi Images

Ricken leitete die Elefantenrunde beim BVB seit Juni

Nachdem Watzke bereits im letzten Jahr die Umstrukturierung auf der Chefetage angestoßen hatte, leitete Ricken die Elefantenrunden seit Ende der Vorsaison. In seiner ersten Sitzung im Juni standen der Rücktritt von Edin Terzić als Cheftrainer und die Beförderung seines Assistenten Nuri Şahin auf der Tagesordnung. Dessen Aus im Januar sowie die Trennung vom Technischen Direktor Sven Mislintat haben nun auch das Ende der Elefantenrunden mit sich gebracht.

„Die wird es in Zukunft nicht mehr geben“, bestätigte Ricken. „Es ist einfach so, dass Aki Watzke nicht mehr dabei ist und aus der Elefantenrunde hat es mit Sven Mislintat und Nuri Şahin ja letztendlich auch zwei getroffen. Wir sind täglich im Austausch, Niko Kovač, Sebastian Kehl und ich, wenn Matthias Sammer dazu kommt, haben wir eine ganz normale Meetingstruktur, aber da brauchen wir diese Elefantenrunde nicht mehr.“

Mit dem Schritt konsolidiert Ricken die Machtbasis bei den BVB-Profis um sich. Der Sportchef hat die glasklare Richtlinienkompetenz, Sportdirektor Kehl trägt die Verantwortung für die Umsetzung der Kaderplanung und fungiert als Bindeglied zwischen Trainerstab und Klubführung. Es sind schlanke Strukturen, für die sich Ricken entschieden hat.

BVB-Boss Ricken schärft sein Profil deutlich

Bei seiner Beförderung vom Chef der Nachwuchsabteilung zum Gesicht aller Fußballgeschäfte des BVB war dem Ex-Profi durchaus Skepsis ins Gesicht geweht. Ricken hatte kein sonderlich ausgeprägtes öffentliches Profil, Kritiker wiesen auf mangelnde Erfahrung im Profi-Management hin.

In den ersten Monaten im Amt konnte Ricken den Vorwurf einer gewissen Farblosigkeit nicht ablegen. Wo Watzke als Klubchef bisweilen polterte und die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, ist der geborene Dortmunder Ricken eher ein ruhiger Vertreter. Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt, dass beim 48-Jährigen stille Wasser durchaus tief sind.

Den Fehler mit Şahin auf der Trainerbank korrigierte Ricken mehr oder minder im Alleingang. Er gab mit U19-Trainer Mike Tullberg einem langjährigen Vertrauten drei Spiele als Interimscoach, um die Gespräche mit Kovač in der nötigen Ruhe zu führen. Dessen Engagement mit Vertrag bis 2026 löste in Dortmund keine Jubelstürme aus, gibt dem Klub aber auch mit Blick auf die Klub-WM im Sommer Planungssicherheit.

Ricken muss auch gegen alte BVB-Kollegen hart sein

Ricken hat also gezeigt, dass er sich nicht vor Entscheidungen scheut. „Es ist für mich auch unbequem, aufgrund der sportlichen Situation ehemalige Mitspieler freizustellen, auch Mitarbeiter, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe. Das ist unbequem. Aber so, wie ich als Spieler Lust auf die Herausforderung hatte, habe ich sie jetzt auch als Geschäftsführer“, erklärte Ricken selbst.

Die Abkehr von der BVB-Institution der Elefantenrunde passt ins Bild. Ebenso das wohl recht deutlich ausgefallene Machtwort, das Ricken gegenüber Matthias Sammer gesprochen haben soll. Dessen Auftritte als TV-Experte hatten in Dortmund bisweilen für Unruhe gesorgt.

Zum Überlaufen brachte Sammer das Fass mit seiner Analyse des letzten Spiels der kurzen Şahin-Ära. Nach einer Niederlage beim FC Bologna in der Champions League attestierte der ehemalige Meistertrainer, die Mannschaft sei „körperlich und geistig in einer Nicht-Verfassung“.

Machtwort zu BVB-Berater Sammer zeigt Wirkung

Inhaltlich lag Sammer sicher nicht komplett daneben, für die Außendarstellung des Vereins war es jedoch verheerend, dass eine an der Entscheidungsfindung in Sachen Kaderplanung und Trainerfrage beteiligte Person derart kritische Worte wählte.

Ricken hat Sammer, mit dem er sich zu aktiven Zeiten einst im Trainingslager das Doppelzimmer teilte, deshalb zum Verzicht auf die Expertentätigkeit bei BVB-Spielen aufgerufen. „Wir schätzen bei Matthias seine offene Art, das schätzt dann auch der Fernsehsender. Es ist eine schwierige Konstellation, wir haben das intern besprochen.“ Die Entscheidung liege bei Sammer und Amazon, schob Ricken nach, dessen Worte aber klar darauf deuten, dass der Experte keine BVB-Spiele mehr betreuen wird.

Das Hinspiel im Achtelfinale gegen den OSC Lille läuft beim Streamingdienst Amazon Prime Video, es wäre überraschend, wenn Sammer dabei zum Einsatz käme.



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