
Ex-BVB-Talent im Interview

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Mit 323 Partien für fünf Vereine gehörte Timo Achenbach während seiner aktiven Karriere zu den Urgesteinen der 2. Bundesliga. In dieser Zeit erlebte der Linksverteidiger einige Höhen aber auch Tiefen: Vom Aufstieg über die Teilnahme an einem Halbfinale des DFB-Pokals bis hin zum Abstieg. Bei Transfermarkt blickt der heute 42-Jährige auf seine bewegte Laufbahn zurück.
Obwohl Timo Achenbach seine Profi-Karriere schon vor einigen Jahren beendete, ist er noch immer dem Fußball verbunden. Er ist in der Traditionself von Borussia Dortmund aktiv und damit bei dem Verein, bei dem er einst fußballerisch aufwuchs. Von 1996 bis 2001 durchlief er neben späteren Bundesligaprofis wie Salvatore Gambino, David Odonkor oder Florian Kringe sämtliche Nachwuchsmannschaften der Schwarz-Gelben.
„Der BVB bedeutet mir sehr viel. Wie so viele Kinder in Dortmund bin ich damals als Kleinkind mit meinem Vater und meinem Opa ins Stadion gegangen und wurde so BVB-infiziert. Ein Highlight für mich persönlich war natürlich der Finaleinzug um die Deutsche B-Jugend-Meisterschaft, auch wenn wir die Partie am Ende mit 1:3 verloren haben“, sagt Achenbach, der in diesem Augenblick lachen muss und sofort aufklärt, warum. „Wir hatten damals eine super Truppe beisammen und haben unser Sommer-Trainingslager auf Mallorca absolviert. Tagsüber haben wir mit dem Ball trainiert und abends haben wir dann in Cala Ratjada andere Fähigkeiten trainiert. Heute wäre so etwas als B-Jugendspieler undenkbar.“
Achenbach über Traum vom Bundesligadebüt & beeindruckenden Rosicky
Zu diesem Zeitpunkt galt Achenbach als großes Talent beim BVB. Entsprechend träumte der Linksverteidiger davon, im Westfalenstadion sein Bundesligadebüt feiern zu dürfen. Mit 19 Jahren schien er dem Traum ganz nah zu sein. In der Saison 2002/03 stand er an den ersten beiden Spieltagen im Bundesligakader.
„Ich weiß noch genau, am 2. Spieltag verletzte sich während der Partie und ich war davon überzeugt, ich würde reinkommen. Am Ende entschied sich Matthias Sammer jedoch für Ahmed Madouni. Entsprechend traurig war ich natürlich. Ganz wertneutral muss man aber sagen, dass damals Dedê überragende Leistungen gezeigt hat und sich deshalb keine Chance aufgetan hat. Heutzutage wäre es wahrscheinlich leichter gewesen, Bundesligaluft zu schnuppern, weil die heutigen Trainer den jungen Spielern mehr Möglichkeiten geben. Damals war das halt nicht so der Fall“, erzählt Achenbach, der dennoch mit großer Freude an die Trainingseinheiten mit den BVB-Profis zurückdenkt.
„Wenn man bedenkt, welche Legenden damals im Kader standen, ist das schon sehr imponierend. Am meisten hat mich Tomas Rosicky beeindruckt. Die Spielintelligenz, die Fähigkeit am Ball, die Übersicht. Für mich war Rosicky ein überragender Fußballer und der beste BVB-Spieler zur damaligen Zeit. Ich durfte in der Zeit viel lernen, auch von anderen. Fredi Bobic hat sich zum Beispiel viel Zeit für mich genommen, mir erklärt, worauf es im Profifußball ankommt. Bei Stefan Reuter konnte es dagegen schon mal sehr laut werden, wenn man im Training einen unnötigen Fehler machte. Es war rückblickend eine tolle Zeit.“

Achenbach beim VfB Lübeck: Anekdoten über Thioune, Hecking & DFB-Pokal
Um dem Youngster Spielpraxis zu gewähren, verlieh ihn der BVB in der Saison 2003/04 zum damaligen Zweitligisten VfB Lübeck. Als Achenbach erstmals in der 2. Bundesliga gegen den Ball trat, spielten noch Vereine wie Rot-Weiß Oberhausen, Eintracht Tier, Energie Cottbus oder auch LR Ahlen im Unterhaus – Nostalgie pur. „Es ist schon schade, was aus den ganzen Traditionsvereinen geworden ist. Ich würde mir auch wünschen, dass der VfB Lübeck schnell wieder in den Profifußball zurückkehrt. Die Zeit in Lübeck verbinde ich nur mit schönen und lustigen Momenten. Ich erinnere mich noch, dass ich in meiner ersten Trainingseinheit Daniel Thioune getunnelt habe. Als Dankeschön gab es eine heftige Grätsche“, erinnert er sich lachend.
Lobend äußert er sich auch über den damaligen Trainer. „Dieter Hecking ist sowohl fachlich als auch menschlich ein Top-Trainer. Er hat sich viel Zeit für uns junge Spieler genommen, man hat gemerkt, dass es ihm wichtig war, uns Spieler voranzubringen. Er wusste aber auch genau, welche Werte er uns beispielsweise vermitteln muss. Nach unserer Partie in Regensburg kamen wir erst mitten in der Nacht in Lübeck an. Entsprechend müde war ich am nächsten Tag und so meinte ich, ich könnte mit einem Kaffeebecher auf den Trainingsplatz kommen. Dieter Hecking hat mich vor versammelter Mannschaft angeschissen. Danach wusste ich, er kann auch anders“, erzählt Achenbach amüsiert.
Die Saison in Lübeck wird er aber auch aus einem anderen Grund nie vergessen. In jenem Jahr galt der VfB als Überraschungsteam des DFB-Pokals. Auf dem Weg ins Halbfinale warf man zuvor unter anderem den FC St. Pauli und den SC Freiburg aus dem Wettbewerb. Erst gegen Werder Bremen war Schluss. „Ich muss sagen, dass wir durchaus an dem Abend beschissen wurden. Dem damaligen 3:2 in der Verlängerung war ein Handspiel von Nelson Valdez vorangegangen, somit hätte das Tor gar nicht zählen dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir Werder im Elfermeterschießen bezwungen hätten.“
Achenbach: „In Köln kannst du schnell nach oben fliegen, aber auch tief fallen“
Achenbachs Leistungen in Lübeck wurden insbesondere vom 1. FC Köln registriert, der ihn wiederum von BVB auslieh. Während er in Dortmund und Lübeck langsam an den Druck, der im Profifußball herrschte, herangeführt wurde, erlebte und spürte er in Köln als Bestandteil des Profikaders erstmals in aller Deutlichkeit, welchen Stellenwert der Fußball samt Medienecho in der Domstadt hat. „In Köln kannst du schnell nach oben fliegen, aber auch tief fallen. Damals kam ich beispielsweise in den ersten acht Spielen überhaupt nicht zum Zuge, war außen vor. Am 10. Spieltag stand ich dann in der Startelf und bereitete sogar ein Tor vor. Am nächsten Morgen stand im Sportteil einer Zeitung mit einem großen Bild von mir: ‚Timo Achenbach: Unser neuer Dirk Lottner.‘ Ich fand das schon cool, konnte es aber auch richtig einschätzen“, erzählt der gebürtige Wittener, der mit dem Effzeh 2005 die Rückkehr in die Bundesliga schaffte.
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„Köln ist eine absolute Fußballhochburg. Ich kann verstehen, warum ein Spieler wie Jonas Hector so lange beim Effzeh geblieben ist. Die Fans und die Stadt lieben ihren Klub. Ich glaube, wenn man mir damals eine richtige Perspektive aufgezeigt hätte, wäre ich auch in Köln geblieben“, so Achenbach.
Dass sein Wohnzimmer fortan eher die 2. Bundesliga statt des deutschen Oberhauses sein würde, zeigte sich auf der nachfolgenden Station bei Greuther Fürth. 73 Zweitligapartien absolvierte er für das Kleeblatt. Über die jeweiligen Spielzeiten kämpfte er mit Fürth immer wieder um den Aufstieg, jedoch ohne Erfolg. „Am meisten ärgerte mich das Ergebnis der Saison 2007/08. Wir hatten mit Bruno Labbadia einen super Trainer, der uns als Mannschaft extrem gut getan hat. Er war gefühlt noch Halb-Profi, wenn man ihn in den Trainingseinheiten gesehen hat, und war voller Leidenschaft an der Seitenlinie. Wir waren zwischenzeitlich sogar Zweiter in der Tabelle. Tatsächlich kann ich die Frage nicht beantworten, warum es am Ende nicht gereicht hat. Vielleicht war es die fehlende Qualität, vielleicht war es das fehlende Glück. Ich kann nur sagen, dass wir es als Mannschaft verdient gehabt hätten.“
Achenbach findet bei Alemannia Aachen sportliche Heimat
Seine wirkliche sportliche Heimat fand der Linksverteidiger erst mit 25 Jahren, als er zum damaligen Zweitligisten Alemannia Aachen wechselte. Auch wenn es dort mitunter turbulent zuging. Negativer Höhepunkt war der Abstieg in der Saison 2011/12. „Neben dem Betzenberg war die Stimmung in Aachen die beste, die ich während meiner Karriere erlebt habe. Wenn ich an den alten Tivoli denke, mit den urigen Gängen, wenn ich an die unfassbar leidenschaftlichen Fans und die entsprechende Atmosphäre denke, kann ich einfach nur Danke sagen, dass ich dort einen Teil meiner Karriere verbringen durfte. Wenngleich der Abschied damals aus Aachen durch den Abstieg aus der 2. Bundesliga alles andere als schön war“, erzählt Achenbach, der für die Alemannia 130 Einsätze bestritt und damit die meisten in seiner Karriere.
Statt an den Abstieg erinnerte er sich aber lieber an die Highlight-Spiele im DFB-Pokal 2010/11. „Wir hatten in Aachen einen unfassbaren Zusammenhalt in der Mannschaft. Der Teamgedanke stand an erster Stelle. Entsprechend war es auch egal, wer an der Seitenlinie stand. Wir haben für uns gegenseitig gekämpft, genau deshalb konnten wir auch bis ins Viertelfinale vorrücken.“ Dort war der FC Bayern aber eine Nummer zu groß.
Achenbach über schlimmsten Gegenspieler Landgraf & Trikotsammlung
Seinen damaligen Status als Zweitliga-Urgestein zementierte er beim SV Sandhausen, für den er von 2012 bis 2015 in 92 Partien gegen den Ball trat. Mit am Ende insgesamt 323 Spielen häuften sich bei Trikotliebhaber Achenbach entsprechend viele Jerseys an. „Tatsächlich hatte ich zwischenzeitlich weit über 150 Trikots, viele habe ich aber mittlerweile verschenkt oder sie wurden für wohltätige Zwecke versteigert. Ein paar Highlight-Trikots habe ich aber behalten: Unter anderem das von Arjen Robben aus dem damaligen Pokal-Viertelfinale gegen Bayern München oder auch ein neonfarbiges Aachen-Trikot.“
Nach dem schlimmsten Gegenspieler gefragt, musste er lachen: „Mit Abstand war das Willi Landgraf. Er hat beleidigt, er hat gefoult, er hat Witze erzählt. Der hat mich wirklich mürbe und müde gemacht. Aber nach dem Spiel haben wir uns die Hände gegeben und alles war wieder gut.“
Was beim Blick auf die Karriere von Achenbach auffällt und wahrscheinlich ein Hauptgrund dafür ist, dass er diese hohe Anzahl von Partien absolvieren konnte, ist die Tatsache, dass er quasi immun gegenüber Verletzungen war. „Mein Geheimrezept war einmal die Woche Currywurst-Pommes. Aber Spaß beiseite, ich wusste, was ich mir als Fußballprofi erlauben kann und was nicht. Natürlich bin ich auch mal feiern gegangen oder habe mir auch mal eine Currywurst gegönnt, aber genauso wusste ich, wenn der Schiedsrichter anpfeift, heißt es 90 Minuten Vollgas ohne Rücksicht auf Verluste.“
Heute schaut er mit Stolz auf seine Laufbahn und betont, dass er seine vielen Zweitligaspiele nicht für ein paar Bundesligaminuten eingetauscht hätte. „Ich hätte auch nach Gladbach, Kaiserslautern oder Freiburg wechseln können, dort wäre ich aber nur als Backup eingeplant gewesen. Ich hatte aber immer den Anspruch, zu spielen. Ich bin daher sehr stolz auf meine Karriere und die hohe Anzahl an Zweitligapartien. Rückblickend war es eine extrem coole Zeit und es ist schon witzig, dass ich im Haushalt Dinge vergesse, wenn mir meine Frau etwas sagt, aber ich beispielsweise genau weiß, wer am 6. Spieltag der Saison 2007/08 die Tore für Greuther Fürth erzielt hat“, sagt Timo Achenbach mit einem Lachen zum Abschluss.
Von Henrik Stadnischenko