
Wegen eines Leistungsabfalls in der zweiten Hälfte kommt Borussia Dortmund im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Lille nicht über ein Remis hinaus. Das Problem ist offensichtlich. Doch es zu lösen, scheint schier unmöglich zu sein.
Nach dem Schlusspfiff waren sich alle Beteiligten einig: Die erste Hälfte des Achtelfinal-Hinspiels gegen Lille gehörte klar dem BVB. Die Dortmunder waren griffiger, stark in den Zweikämpfen und dominant. Folgerichtig gingen sie in Führung. Doch die zweite Halbzeit war wie abgeschnitten. „Wir waren passiv“, bilanzierte Sportdirektor Sebastian Kehl. Auch Nico Schlotterbeck und Trainer Niko Kovac waren dieser Meinung. „Uns hat die Aggressivität gefehlt. Wir haben wenige zweite Bälle gewonnen“, beschwerte sich Torhüter Kobel.
Es ist nicht das erste Mal in dieser Saison, dass der BVB innerhalb eines Spiels zwei verschiedene Gesichter zeigt. Vielmehr ist es schon fast zur Regel geworden. Doch wie kommt es dazu?
BVB zeigt innerhalb eines Spiels zwei Gesichter
Auch wenn es niemand so richtig zugeben will. Der Grund scheint offensichtlich zu sein: Der BVB kämpft mit mangelnder Fitness. Gerade in den vielen englischen Wochen, in denen alle drei, vier Tage gespielt wird, wird der Zustand der Mannschaft sichtbar. So auch gegen Lille.
Die Folgen: Die zweite Hälfte war bestimmt von Ungenauigkeiten, falschem Stellungsspiel und Zuspätkommen in Zweikämpfen.
„In der ersten Halbzeit haben wir deutlich mehr getan. In der zweiten Halbzeit hat Lille mehr Ballbesitz und mehr Spielanteile gehabt. Wir waren passiv, wir haben insgesamt nicht mehr die Spielkontrolle gehabt“, bemerkte auch Kehl.
Mangelnde Fitness? BVB-Spieler weichen aus
Die Daten belegen: In der Bundesliga gehört der BVB in den Statistiken zu den zurückgelegten Kilometern, intensiven Läufen und Sprints jeweils zum unteren Mittelfeld.
Die BVB-Spieler wollten die Kraftfrage nicht richtig beantworten. „Das weiß ich nicht. Das ist sehr schwierig für mich als Torwart zu sagen“, sagte Kobel schmallippig.
„Keine Kraftfrage. Wir sind Profisportler, Leistungssportler. Du musst alle drei, vier Tage Leistung bringen, sonst bist du falsch im Beruf. Das ist auf keinen Fall eine Kraftfrage“, legte sich Schlotterbeck fest, schob dann aber doch noch hinterher: „Vielleicht sah das von außen so aus, aber ich kann von mir sagen, dass ist absolut keine Kraftfrage.“
Auf Schlotterbeck selbst trifft diese Annahme nicht zu. Der Innenverteidiger gehört, genauso wie Emre Can, in den vergangenen Wochen zu den verlässlichsten Dortmundern. Doch gerade in der laufintensiveren Schaltzentrale im Mittelfeld sowie in der Kreativabteilung fehlen offenbar die Reserven.
Die Folgen daraus wiegen schwer.
Kobel: „Da kommst du in eine Unzufriedenheit rein“
„Wenn du nur hinterherläufst, fehlt dir dann auch die Konzentration und die Kraft“, meinte Kovac auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Kehl pflichtete dem Trainer bei: „Die [Anm. d. Red.] Sicherheit geht flöten.“ Auch dass der BVB in Folge wenige zweite Bälle gewann, nicht mal die, laut Kobel, „50:50-Duelle“, zeugt von ein paar Prozent, die den Dortmunder fehlten. „Da kommst du in eine Unzufriedenheit rein“, so Kobel. Die Rechnung ist eigentlich einfach: Fitnessdefizite führen zu schwankenden Leistungen.
Der Trainer selbst wich der Frage nach dem Leistungszustand der Mannschaft in der Vergangenheit des Öfteren aus. Ein Nachtreten in Richtung Nuri Sahin kommt für ihn nicht in Frage. Das wäre nicht seine Art.
Stattdessen lobte Kovac den Willen und die Bereitschaft des Teams und wies auf Schlussphasen hin, in denen der BVB sehr wohl noch einen Gang hochschalten konnte. Doch eine konstante Leistung über 90 Minuten riefen die Spieler bislang nicht ab.
Kovacs Herangehensweise birgt ein Risiko
Fakt ist: Kovac brachte beim BVB eine gewisse Portion Stabilität rein. Sein Plan, so oft es geht auf dieselbe Elf zu setzen und einen Stamm zu bilden, ging dahingegen auf.
Doch genau diese Herangehensweise birgt auch das Risiko, dass die etablierten Kräfte überspielt sind und ihnen schneller der Saft ausgeht.
Kovac, der ohnehin einen großen Wert auf Datenanalyse legt, hat dieses Problem ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt. Schon in der vergangenen Woche ordnete der 53-Jährige einen Laktattest an – ohne die Spieler voll zu belasten. Das kann er auch gar nicht. Denn Gelegenheit, hart und intensiv zu trainieren, hat er aufgrund des eng getakteten Terminkalenders nicht. Ihm sind die Hände gebunden.
Nun ist es am Trainerteam, so viele Prozent-Pünktchen wie möglich aus dieser BVB-Mannschaft zu kitzeln. Doch gerade zu diesem Zeitpunkt der Saison scheinen große Sprünge nach vorne nicht drin zu sein. Dieses Fitness-Problem dürfte für Kovac eine unlösbare Aufgabe sein.