Der 1. FC Union Berlin und das leidige Thema Viererkette

Der 1. FC Union Berlin und das leidige Thema Viererkette
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In der Erinnerung bleiben Urs Fischer und die Dreierkette beim 1. FC Union Berlin untrennbar miteinander verbunden. Die Realität sah allerdings gar nicht so eindeutig aus. Der Schweizer kam als Verfechter einer Viererkette nach Köpenick, führte den Klub mit dieser Formation in die Bundesliga und setzte erst nach 45 Pflichtspielen, im Oktober 2019, erstmals auf drei Innenverteidiger.

Später sprach er einige Male davon, die Mannschaft taktisch wieder flexibler aufstellen zu wollen, und ließ die Viererkette in Training oder Testspielen einüben. Letztlich kam er von der Dreierkette aber nicht mehr weg.

Es wird immer mal wieder den Switch zwischen Dreier- und Viererkette geben.

Steffen Baumgart

Auch fast anderthalb Jahre nach der Trennung vom erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte ist dieses taktische Erbe noch klar zu erkennen. Steffen Baumgart ist ebenfalls als klarer Anhänger der Viererkette nach Berlin gekommen, doch ohne Kompromisse und Zwischenschritte geht es nicht, das hat der 53-Jährige schnell gemerkt – und das hat auch die 1:2-Heimniederlage am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach gezeigt.

In der ersten Hälfte bekam Union mit Viererkette im Spiel gegen den Ball kaum Zugriff und offenbarte defensiv in einigen Situationen entscheidende Schwächen. Beim 0:1 stimmte die Zuordnung nicht und so fühlte sich niemand für den aufgerückten Linksverteidiger Lukas Ullrich zuständig. Vor dem 0:2 fehlte die Absicherung für den aufgerückten Robert Skov, so geriet Diogo Leite in eine Unterzahlsituation, die Gladbach clever ausspielte. „In der ersten Hälfte hat Gladbach gut erkannt, wo unsere Löcher sind“, sagte Baumgart.

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Baumgart nerven die ständigen Fragen nach der Abwehrformation

In der Halbzeit wechselte Unions Trainer mit Leopold Querfeld einen weiteren Innenverteidiger ein, stellte auf Dreierkette um – und die Berliner drückten den Gegner knapp 25 Minuten lang wie im Powerplay in den Strafraum. „Mit der Umstellung auf Dreierkette haben wir mehr Zugriff und auch viele gute Aktionen nach vorne gehabt“, sagte Baumgart. „Mit einem Quäntchen Glück wäre mehr möglich gewesen.“

Steffen Baumgart muss bei seinen taktischen Vorstellungen Kompromisse machen.

© imago/O. Behrendt

Erst als Gladbach durch die Einwechslung von Fischers früherem Abwehrchef Marvin Friedrich ebenfalls auf Dreierkette umstellte, konnten sich die Gäste wieder etwas befreien. So rettete die Borussia einen insgesamt verdienten Sieg über die Zeit.

Baumgart sah sich nach dem Spiel mal wieder mit Fragen nach der Abwehrformation konfrontiert. Diese sind ein ständiger Begleiter in seinen nun anderthalb Monaten in Köpenick. Der Trainer startete mit der klaren Ansage, dass er auf eine Viererkette setzen wird, kehrte nach zwei enttäuschenden Leistungen gegen Heidenheim und Augsburg aber zum altbewährten System zurück.

Nach dem 0:3 in St. Pauli setzte er, auch bedingt durch den Ausfall von Kevin Vogt und Leopold Querfeld, wieder auf Viererkette. Gegen Leipzig und Hoffenheim überzeugte die Mannschaft, holte vier Punkte und blieb ohne Gegentor.

Auch deshalb reagierte er am Samstag mit Unverständnis auf die Frage, warum er gegen Gladbach nicht sofort auf drei Innenverteidiger gesetzt habe. Im Nachhinein lasse sich das immer leicht sagen, entgegnete Baumgart. In den vergangenen zwei Spielen habe die Mannschaft erfolgreich gespielt, daher habe er keinen Anlass für eine Umstellung gesehen.

„Ich werde jetzt nicht jedes Mal die Diskussion führen, ob es mit Dreierkette besser gewesen wäre. Ich lebe nicht in der Vergangenheit“, sagte Baumgart. „Es wird immer mal wieder den Switch zwischen Dreier- und Viererkette geben.“

Benedict Hollerbach wollte das taktische Hin und Her der vergangenen Wochen ebenfalls nicht als Ausrede gelten lassen. Er sei zehn Jahre in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden, sagte der Stürmer. „Ich habe alles hoch- und runtergespielt und das sollte jeder in der Bundesliga schnell annehmen können.“

Ich habe alles hoch- und runtergespielt und das sollte jeder in der Bundesliga schnell annehmen können.

Benedict Hollerbach sieht die taktischen Umstellungen nicht als Problem

In der Theorie stimmt diese Aussage sicherlich. Flexibilität spielt in der Ausbildung eine große Rolle und die Spieler wissen, wie sich ihre Rollen durch die Umstellung verändern. Auf dem Platz geht es jedoch um Details, um blindes Verständnis, um Automatismen. Diese funktionieren nur durch viel Training und Erfahrung.

Dass die Mannschaft die Viererkette und die Ideen von Baumgart noch nicht so verinnerlicht hat wie die jahrelang praktizierte Dreierabwehr, ist logisch und war gegen Gladbach in der ersten Hälfte zu erkennen. Wobei Union auch in der altbewährten Formation schon sehr schlechte Spiele gemacht hat und der Gesamteindruck der vergangenen Wochen positiv ist. Das gilt für den Blick auf die Tabelle, die spielerische Entwicklung und die Lebendigkeit der Mannschaft. Oder wie es Tom Rothe formulierte: „Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind.“



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