BVB in Champions League: Immerhin kein neues Desaster

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Sollten Statistiker irgendwann auf die Idee kommen, ein Ranking mit den unspektakulärsten Champions-League-Spielen von Borussia Dortmund zu erstellen, dann hätte das 0:0 gegen Sporting Lissabon vom Mittwochabend gute Aussichten, weit vorne zu landen. Nach dem 3:0-Sieg des BVB aus dem Hinspiel hatten die Portugiesen keine Ambitionen mehr, auch die Dortmunder haben „keinen Zauberfußball“ geboten, sagte Trainer Niko Kovač. Und Kapitän Emre Can verkündete, dass seine Mannschaft „nicht mehr als nötig“ gemacht habe, die Südtribüne applaudierte dennoch wohlwollend.

Borussia Dortmund befindet sich in einem Zustand, in dem bereits diese Sorte grauer Fußballalltag als heilsam empfunden wird: immerhin kein neues Desaster. Aber innerlich haderten sie schon mit diesem Abend, der eben auch eine verpasste Chance war. Sportdirektor Sebastian Kehl und Torwart Gregor Kobel hoben zwar genau wie der Trainer eher das Positive hervor, die seriöse Defensivleistung, das Zu-null.

Julian Brandt hingegen räumte recht deutlich ein, dass der BVB wieder nicht an dieses kostbare Heilmittel herangekommen war, das so dringend notwendig ist für den Weg aus der Krise: „Da ist Sand im Getriebe, den müssen wir rauskriegen durch Tore, Leistungen oder Siege. Alles andere bringt nichts. Da hilft auch kein Schamane mehr“, sagte der Offensivspieler.

„Versuchen, in die Köpfe der Spieler zu kommen“

Siege jedoch bleiben rar. Von vier Partien unter Kovač wurde nur eine gewonnen, von acht Halbzeiten war eigentlich nur die zweite im Hinspiel in Lissabon wirklich überzeugend. Ja, der neue Trainer hatte noch keine vollständige Trainingswoche mit dem Team, und dass es sich hier um einen besonders schweren Krisenfall handelt, ist auch längst klar.

Aber eine günstigere Gelegenheit für einen Sieg mit ein paar Toren wird sich in den kommenden Wochen kaum ergeben. „Wir sind jetzt etwas mehr als zwei Wochen hier, versuchen, in die Köpfe der Spieler zu kommen“, sagte Kovač, als erkenne er langsam, dass dort aufwendigere Reparaturen notwendig sind als angenommen. „Es ist ein Kampf, da musst du rauskommen. Aber das gehört zum Leben dazu“, ergänzte Brandt.

Für Gittens wird es „schwieriger“

Nicht einmal der in der Champions League sonst so zuverlässige Torjäger Serhou Guirassy traf, als er zu einem Foulelfmeter antreten durfte (59. Minute). Und auch beim Blick auf die Einzelspieler sind kaum Fortschritte erkennbar, die Lasten wiegen schwer. „An mir geht das nicht spurlos vorbei, mich trifft die Situation“, sagte Brandt über das mäßige Spielniveau gerade in der Offensive. „Ich stehe auf dem Platz und weiß, wie wir spielen, ich kann das reflektieren. Das trifft einen schon allein aus fußballerischer Natur.“

Brandt durchläuft eine Formkrise, genau wie Karim Adeyemi, der unter Kovač immer in der Startelf stand und der immer enttäuschte. Ähnliches gilt für Jamie Gittens, doch der Engländer gehört stets zu den Ersten, die Kovač auswechselt. „Es wird für ihn jetzt schwieriger werden aufgrund der Gesamtgemengelage“, sagte der Trainer auf die Frage nach der Situation des vielleicht größten Talentes im Kader.

Gittens’ Entwicklung ist auch deshalb wichtig, weil er mit einem Vereinswechsel jene Millionen in die Klubkasse spülen könnte, die beim Verpassen der kommenden Champions-League-Auflage fehlen würden. Doch dazu muss er performen, auf keinen Fall darf er zu einem dieser potentiellen Unterschiedspieler ohne Vertrauensverhältnis zum Trainer werden, die es in Kovač-Teams öfter gab.

Immer deutlicher wird zudem, dass der neue Trainer die Doppelsechs vor der Abwehr konsequent mit Marcel Sabitzer und Pascal Groß besetzt. Aus fußballerischer Sicht ist das nachvollziehbar, offen ist, ob die physischen Schwächen dieser beiden Profis im Zentrum des Spiels irgendwann zum Problem werden. Doch Can ist unter Kovač Innenverteidiger, Felix Nmecha wird nach seiner Knieverletzung erst Ende März zurückerwartet, Salih Özcan spielt keine Rolle. Und der Winterzugang Carney Chukwuemeka saß gegen Lissabon 90 Minuten auf der Bank.

Immerhin gehörte Sabitzers Auftritt zu den erfreulichen Aspekten dieses Abends, genau wie die Leistung des neuen Linksverteidigers Daniel Svensson, dem noch der Respekt vor der großen Bühne anzumerken ist, der sich aber taktisch klug verhält und viele gute Lösungen findet. Es ist bezeichnend, dass dieser 23 Jahre alte Neuzugang bislang der größte Gewinner unter Kovač ist.

Nach vier Partien mit dem neuen Chefcoach ist deutlich geworden, dass es sich nicht um einen dieser Trainerwechsel handelt, in dessen Folge sofort alles besser wird, weil alle sich befreit fühlen. Im Gegenteil, die Schwere ist allgegenwärtig. Am kommenden Samstag (18.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) spielt der BVB gegen Union Berlin vor einem Dortmunder Publikum, das seit fünf Partien auf einen Heimsieg in der Bundesliga wartet.



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