Anneke Borbe: “Habe versucht, so wenig wie möglich zu

Anneke Borbe: "Habe versucht, so wenig wie möglich zu
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Nachdem sich die Wogen rund um den Wechsel im Tor des VfL Wolfsburg etwas geglättet haben, spricht die neue Stammtorhüterin Anneke Borbe (24) über ihre neue Situation, ihren Spielstil und die weiteren Ziele.


Seit Anfang Februar hütet Anneke Borbe das Tor des VfL Wolfsburg. Damit gelang ihr nicht nur nach anderthalb Jahren im Verein der Sprung von der Nummer 3 zur Nummer 1, sie verwies auch die langjährige Stammkeeperin des VfL und der deutschen Nationalmannschaft, Merle Frohms, auf die Bank.


Können Sie die Situation rund um den Torhüterwechsel mal aus Ihrer Sicht beschreiben, Frau Borbe?


Für mich war schon das Lyon-Spiel (Champions League, 0:1, Anm. d. Red.), mit dem wir in die Winterpause gegangen sind, ein Moment, in dem ich mich so zeigen konnte, wie ich das gerne wollte. Im Trainingslager kam dann das Gespräch mit Tommy (Stroot, Trainer, d. Red.), in dem er mir gesagt hat, dass ich die Chance bekomme, um den Platz im Tor zu kämpfen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vor dem Jena-Spiel hatte ich wieder ein Gespräch mit ihm und habe die Rückmeldung bekommen, dass er gesehen hat, was er sehen wollte und dass er mir den Platz im Tor gibt.


Wie groß war der Druck in dieser Situation?


Ich weiß nicht, ob da so viel Druck war, weil mir widergespiegelt wurde, dass ich mich in den anderthalb Jahren so ins Blickfeld gerückt habe, dass ich einfach so weitermachen kann wie zuvor. Als die Entscheidung klar war, kam natürlich schon ein bisschen Druck dazu. Aber ich glaube, ich habe das in den ersten vier Spielen ganz gut ausblenden können. Zumal mit Jena auch ein Spiel dabei war, in dem ich mich gut einfinden konnte.


Mit welchen Absichten sind Sie damals als Nummer 1 von Werder Bremen nach Wolfsburg gekommen, wo sie dann nur die Nummer 3 waren?


Ich war sehr lange in Bremen und hatte irgendwann das Gefühl, der nächste Schritt muss folgen: raus aus der Komfortzone, raus aus dem gewohnten Umfeld. Dann kam das Angebot von Wolfsburg, und ich wusste, ich werde mich da so entwickeln, wie ich es nirgendwo anders kann. Mir war von Anfang an klar, dass es sehr wenig Spielzeit geben wird, und im ersten Jahr habe ich auch gesehen, dass da noch ein Unterschied im Vergleich zu den anderen Torhüterinnen war. Aber die Entwicklung, die ich seit anderthalb Jahren gemacht habe, zeigt, dass es genau der richtige Schritt war. Man kann sich auch durch Training auf diesem Niveau weiterentwickeln.


In welchen Bereichen haben Sie denn die größte Entwicklung genommen?


Ich glaube, überall. Persönlich, von der Ausstrahlung und der Sicherheit her. Und in allen torwarttechnischen Bereichen: Flacher Abdruck, Flanken, hohe Bälle – das hat sich alles weiterentwickelt.


Tommy Stroot hat Ihre Beförderung mit Ihrer Körpergröße (1,80 Meter), Ihrer Spielweise und Ihrem Verhalten bei Flanken begründet. Begleitet Sie dieses spezifische Torwartspiel schon Ihre ganze Karriere über? Oder haben Sie sich das erst beim VfL angeeignet?


Es hat sich in Wolfsburg auf jeden Fall weiterentwickelt. Ich glaube aber auch, dass das Dinge sind, die mich schon immer ausgemacht haben: Ruhe auszustrahlen und dass ich durch meine Körpergröße bei hohen Bällen präsenter bin als andere.


Ich würde mir jetzt noch genauer überlegen, ob ich mich noch einmal als Nummer 2 irgendwo auf die Bank setzen würde.



Spüren Sie seit Ihrem Aufstieg zur Nummer 1 eine größere öffentliche Wahrnehmung?


Ich habe vor allem am Anfang versucht, so wenig wie möglich zu lesen. Es sind schon viele Nachrichten angekommen, von früheren Mitspielerinnen, aus dem familiären Umfeld, von Freunden. In den Tagen und Wochen, in denen das Thema relativ große Wellen geschlagen hat, habe ich mein Handy auch mal zwei Tage zur Seite gelegt. Da hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich gesagt habe, ich sehe mich jetzt gerade zu viel in den sozialen Medien und ich sehe zu viele Meinungen über mich. Aber ich wurde nie irgendwie persönlich angegangen.


Muss man sich als Nummer 1 in Wolfsburg fast schon zwangsweise die Frage nach der Nationalmannschaft stellen?


Nein, da mache ich mir noch nicht so große Gedanken darüber. Wir reden hier von drei Wochen, vier Spielen und davor anderthalb Jahren ohne Spielpraxis. Ich glaube, dass ich das ganz gut schaffe, das Thema erstmal wegzuschieben, und mich darauf zu konzentrieren, die Spiele so zu spielen, wie ich sie gerne spielen würde. Und zu zeigen, warum ich diese Spiele spielen darf. Ich glaube, ich habe es in den ersten vier Partien geschafft, das Vertrauen zurückzuzahlen.


Sind Sie generell sehr selbstkritisch?


Ja, ich bin sehr kritisch, in einigen Phasen auch zu kritisch. Aber ich glaube, das gehört auf diesem Niveau ein bisschen dazu.


Welche Ziele haben Sie für diese Saison noch?


Wir sind noch in zwei Wettbewerben vertreten (Meisterschaft und Champions League, d. Red.), und haben die Chance, sie zu gewinnen. Das sollte unser Ziel sein.




Ihr Vertrag läuft im Sommer aus, der VfL soll sich mit Nationaltorhüterin Stina Johannes von Eintracht Frankfurt bereits einig sein. Wann werden Sie entscheiden, was Sie nächste Saison machen?


Ich bin noch nicht so weit, irgendwas für den Sommer zu entscheiden. Ich konzentriere mich erst mal auf die neue Aufgabe hier und beschäftige mich noch nicht mit solchen Dingen. Ich glaube, das wäre kontraproduktiv. Aber ich merke gerade wieder, dass ich einfach sehr gerne Fußball spiele und für die Spiele auf dem Platz stehe, nicht fürs Training. Deswegen würde ich mir jetzt noch genauer überlegen, ob ich mich noch einmal als Nummer 2 irgendwo auf die Bank setzen würde.

Aufgezeichnet von Susanne Müller



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