Als der FC Bayern mit der Transfer-Offensive 2007 um Ribéry

Als der FC Bayern mit der Transfer-Offensive 2007 um Ribéry
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Rückblick zum 125-jährigen Bestehen 

Als der FC Bayern mit der Transfer-Offensive 2007 um Ribéry eigene Regeln brach

©IMAGO

Der FC Bayern feiert an diesem Donnerstag sein 125-jähriges Bestehen. Bis zum heutigen Tag reihen die Münchner Erfolg an Erfolg und gehören jedes Jahr zu den Anwärtern auf den europäischen Thron. Um eine starbesetzte Mannschaft an den Start schicken zu können, profitierte der deutsche Rekordmeister (33 Titel) stets von seinem berühmt-berüchtigten Festgeldkonto. Auch wenn dieses laut Ehrenpräsident Uli Hoeneß inzwischen „nicht mehr ganz so üppig“ ist. Seit ihrem Bundesliga-Aufstieg 1965 investierten die Bayern laut Transfermarkt-Datenbank 1,72 Milliarden Euro in Neuzugänge. Erstmals so richtig krachen ließ es der ruhmreiche FCB im Sommer 2007, als 81,2 Mio. Euro ausgegeben wurden. Damit begann eine neue Zeitrechnung. TM blickt zurück auf die Spielzeit – auf und neben dem Platz.  

Nach der enttäuschenden Saison 2006/07 mit Platz 4 war es Gewissheit: Der FC Bayern „musste“ erstmals seit 1996/97 wieder im von Franz Beckenbauer herabgestuften „Cup der Verlierer“ ran. Trainer-Rückkehrer Ottmar Hitzfeld hatte Anfang 2007 für den entlassenen Felix Magath übernommen, konnte die Saison mit nur acht Siegen aus 15 Spielen aber nicht mehr retten. Das blamable Pokalaus im Achtelfinale in Aachen und der Königsklassen-K.o. im Viertelfinale gegen Milan taten ihr Übriges. Also UEFA-Cup statt Champions League im Folgejahr – dort durften diesmal Überraschungs-Meister VfB Stuttgart, Vize Schalke und der Dritte Werder Bremen ran. In Summe eine Schmach, die der FC Bayern nicht auf sich sitzen lassen wollte. Eine bis dato nie dagewesene Transferoffensive folgte, um der Konkurrenz das Fürchten zu lehren.  

„Mit großem Brimborium hat Bayern München das teuerste Investment-Paket der Vereinsgeschichte der Öffentlichkeit vorgestellt“, schrieb die „Welt“ am 7. Juni 2007. Und meinte die Verpflichtungen von Luca Toni (damals 30) und Bundesliga-Rekordzugang Franck Ribéry (24). Der italienische Weltmeister-Torjäger der AC Florenz und der französische Linksaußen von Olympique Marseille unterschrieben für vier Jahre und kamen für Ablösesummen von 11 Mio. bzw. 30 Mio. Euro. „Wir sind stolz, dass es uns gelungen ist, zwei Weltstars nach München zu holen“, verkündete Manager Hoeneß. „Wir haben gesagt, wir wollen die Mannschaft nach dem schwierigen abgelaufenen Jahr namhaft verstärken, dafür haben wir gewisse Regeln, die wir in den vergangenen 20 Jahren aufgestellt haben, gebrochen.“

2007/08: FC Bayern übertraf Rekordausgaben von 27 Mio. Euro deutlich 

Sechs Deals waren da bereits in trockenen Tüchern. Damit nicht genug: Rückkehrer Zé Roberto (32) und Werder-Knipser Miroslav Klose (29) sollten schnellstmöglich folgen. „Wir haben ein offizielles Angebot abgegeben, ein stattlicher Betrag“, äußerte Hoeneß in Richtung Bremen. Kein Problem, denn: „Wir haben selbstverständlich noch Geld“, erklärte der für Finanzen zuständige Karl Hopfner: „Für genau solche Situation haben wir Geld zurückgelegt.“

Neben den hochdekorierten Toni, Ribéry, Klose und Zé Roberto ergänzten der argentinische Offensivspieler José Sosa (22; für 9 Mio. von Estudiantes LP), DFB-Linksverteidiger Marcell Jansen (21; für 14 Mio. von Gladbach), Mittelfeldmann Hamit Altintop (24; ablösefrei von Schalke) und Angreifer Jan Schlaudraff (23; für 1,2 Mio. aus Aachen) die illustre Liste der Neuzugänge. Im darauffolgenden Winter gesellte sich noch das brasilianische Verteidigertalent Breno (18; für 12 Mio. aus São Paulo) dazu. Doch die Bayern legten nicht nur selbst viele Millionen hin, sondern erhielten dank der Verkäufe von Owen Hargreaves (26; für 25 Mio. zu Man United), Roque Santa Cruz (25; für 5 Mio. zu Blackburn) und Roy Makaay (32; für 5 Mio. zu Feyenoord) 35 Mio. Euro. Für Mittelstürmer Makaay, der wegen seiner unauffälligen Spielweise in die Kritik geraten war, gab es nach den Käufen von Toni und Klose (und trotz 103 Toren in 183 Spielen) kein Platz mehr. Auch Claudio Pizarro (28; Chelsea), Julio dos Santos (24; UD Almería), Hasan Salihamidzic (30; Juventus), Ali Karimi (28; Qatar SC) und Andreas Görlitz (25; Karlsruher SC) verließen den Klub, Mehmet Scholl hing mit 36 seine Fußballschuhe an den Nagel.

Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld (3.v.l) mit den Neuzugängen Jan Schlaudraff, Hamit Altintop, Miroslav Klose, Marcell Jansen und José Sosa (v.l.n.r.)

Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld (3.v.l) mit den Neuzugängen Jan Schlaudraff, Hamit Altintop, Miroslav Klose, Marcell Jansen und José Sosa (v.l.n.r.)

Fernab der Transfer-Einnahmen: Der FC Bayern gab in jener Saison mit Abstand noch nie so viel für frisches Personal aus. Höchstwert vor 2007/08 waren 27 Mio. Euro in der Spielzeit 2003/04 – damaliger Top-Einkauf war La Coruñas Makaay mit einem Preis von 19,75 Mio. Euro. Und nach dem gewaltigen Aufrüsten 2007/08 sollte ein Jahrzehnt vergehen, ehe die Münchner Verantwortlichen ihre Bestmarke übertreffen sollten: 116,5 Mio. Euro flossen 2017/18 in Rekordeinkauf Corentin Tolisso (22; Lyon), Kingsley Coman (21; Juventus), Niklas Süle (21; TSG Hoffenheim), James Rodríguez (26; Leihe von Real Madrid) und Co. Was in der Rückbetrachtung zeigt, wie besonders dieser Bayern-Sommer 2007 war.

„Wir haben den Mund sehr voll genommen“, wusste Hoeneß nach der Ankunft des Duos Toni und Ribéry. „Sicher wird es einige Zeit brauchen, bis sich die Mannschaft gefunden hat. Aber wir sind guter Dinge, dass es mit der Qualität des Kaders gelingen wird, unsere Ziele zu erreichen.“ Routinier Toni pflichtete ihm bei: „In den nächsten Jahren wird hier sicher Großes passieren.“ Auch Coach Hitzfeld wollte es nach der missratenen Saison noch einmal allen zeigen. „Ich werde auf Disziplin sehr viel Wert legen, gerade bei so vielen Stars“, verkündete der Champions-League-Sieger von 1997 (mit dem BVB) und 2001 (mit Bayern) vor dem Trainingsstart.

Youngster Jansen war damals der vierte Neuzugang der Bayern. Der Ex-Profi gewährt bei TM einen Einblick, weshalb er seine Heimatstadt Mönchengladbach mit 21 Jahren in Richtung Säbener Straße verließ: „Das war für mich damals eine große Entscheidung. Es gab ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem FC Barcelona, mein Berater war mit ihnen in konkreten Verhandlungen. Ich habe mich dann für Bayern entschieden, weil ich in den Gesprächen gemerkt habe, dass sie mit Ottmar HitzfeldMichael Henke und Uli Hoeneß Großes vorhaben“, erzählt der 39-Jährige. „Man wollte voll angreifen. Das war auch aufgrund der getätigten Transfers zu spüren. Der FC Bayern war gut unterwegs und für mich als junger Spieler sehr überzeugend. Den Hauptausschlag dafür, nicht nach Barcelona zu gehen, gab das Trainerteam bei Bayern, das voll auf mich setzen wollte.“

FC Bayern 2007/08: Titel in Liga & Pokal, Klatsche im UEFA-Cup & Nebengeräusche

Jansen blickt positiv auf die Spielzeit 2007/08 zurück: „Ottmar Hitzfeld und Michael Henke (Co-Trainer; d. Red.) hatten die tolle Gabe, so viele Stars unter einen Hut zu bringen. Sie konnten die vielen Charaktere führen und steuern. Es gab einen unglaublich guten Teamspirit, wir waren ein eingeschworener Haufen. Die meisten Spiele habe ich auf der linken Seite hinter Franck Ribéry gemacht – eine Vereinsikone und ein überragender Spieler. Genau wie Miro Klose, den ich schon von der Nationalmannschaft kannte und der einer der Schlüsselspieler war. Bis auf das Halbfinal-Rückspiel im UEFA-Cup in St. Petersburg hatten wir eine richtig gute Saison.“

Jansen stand 2007/08 in 33 Partien über 2.795 Minuten für die Münchner auf dem Platz, ehe er für 8 Mio. Euro zum HSV weiterzog. Mit im Gepäck hatte der Linksfuß die Meisterschaft, den DFB-Pokal und den Ligapokal. Die Bayern waren in Oliver Kahns letzter Profisaison wieder zurück im Geschäft, holten 76 Punkte und verloren nur zweimal in der Bundesliga. Die Neuzugänge Toni (39 Tore/11 Vorlagen), Klose (21/12) und Ribéry (19/20) lieferten ab und waren die Top-3-Scorer im Team. Was Kahn im Dezember nicht davon abhielt, im „Kicker“ gegen Toni und Ribéry auszuteilen: „Gerade die Neuen müssen sich erst an die hohen Ansprüche gewöhnen. Es reicht nicht, gut loszulegen: Du musst die ganze Saison konstant hohes Niveau zeigen. Da muss sich der ein oder andere noch zurechtfinden, dass hier zwei, drei gute Spiele nicht reichen. Bayern ist nicht Marseille oder Florenz! Sondern wie Real, ManU, Barca und Milan.“ Auch das mühsame Lernen der deutschen Sprache missfiel der Keeper-Ikone. Manager Hoeneß reagierte: „Am Anfang hat jeder dem Trainer beweisen wollen, dass er jetzt Gas gibt. Vor allem die neuen Spieler wollten zeigen, wie toll sie sind. Jetzt gibt es erste kleine Probleme beim Zusammenwachsen der Mannschaft.“ Trainer Hitzfeld strich Kahn „aus disziplinarischen Gründen“ für ein Bundesliga-Spiel aus dem Kader, obendrein gab es 25.000 Euro Geldstrafe. Der „nicht ganz so überraschte“ Torhüter akzeptierte ohne Murren: „Ich verstehe das. Disziplin ist oberstes Gebot.”

Happy End einer Saison mit Höhen und Tiefen: Ottmar Hitzfeld und Oliver Kahn verabschiedeten sich mit der Meisterschaft vom FC Bayern

Happy End einer Saison mit Höhen und Tiefen: Ottmar Hitzfeld und Oliver Kahn verabschiedeten sich mit der Meisterschaft vom FC Bayern

Auch sonst verlief nicht alles nach Plan: Im Europacup scheiterten die Bayern kurz vor der Ziellinie und kassierten eine 0:4-Klatsche gegen Zenit St. Petersburg. Und Hitzfeld, der seinen auslaufenden Vertrag nicht noch einmal verlängerte, um im Sommer 2008 Schweizer Nationalcoach zu werden, war wegen schwacher Vorstellungen seiner Mannschaft Ende 2007 von seinen Chefs kritisiert worden. „Fußball ist keine Mathematik, die man berechnen kann“, hatte Vorstandsboss Rummenigge dem studierten Mathematiker Hitzfeld nach einem 2:2 im UEFA-Cup gegen die Bolton Wanders Anfang November vorgehalten, Hoeneß betrachtete ihn gar als „Rotationsweltmeister“. Der Übungsleiter empfand die „Vehemenz der Kritik“ als heftigen Schlag: „Die letzten Wochen waren hart. Es war auch viel Polemik dabei“. Vor allem die „Gewalt der Medien-Schelte“ habe ihn überrascht. Happy End: Bayern siegte zum tränenreichen Hitzfeld-Abschied 4:1 gegen Hertha BSC und stellte mit nur 21 Gegentoren einen neuen Abwehrrekord auf. Und der FC Bayern legte den Grundstein für weitere nationale und internationale Erfolge und die Rückkehr in die Spitze Europas.

Von Philipp Marquardt



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