Werder Bremen: Ole Werner – „Die zwei Leben

Werder Bremen: Ole Werner – „Die zwei Leben
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Fußballtrainer war nicht der Karriereplan von Werder Bremens Trainer Ole Werner. In anderen Jobs aber wäre er wohl nicht glücklich geworden, sagt der 36-Jährige im sehr persönlichen Interview. Denn für seinen Alltag bedarf es einer speziellen Struktur.

Auf dem angestrebten Weg in den Europapokal darf der Angstgegner für Werder Bremen dieses Mal kein Stolperstein werden. Fast elf Jahre lang warten die Grün-Weißen auf einen Heimsieg gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Als es letztmals einen Dreier gegen die Kraichgauer gab, saß noch ein gewisser Robin Dutt als Trainer auf der Werder-Bank. Die Bremer Treffer erzielten Philipp Bargfrede, Santiago Garcia und Nils Petersen.

An diesem Sonntag (15.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) müssen es in Hoffenheim andere richten. Vor der Partie bezog Trainer Ole Werner Stellung.

Frage: Herr Werner, nach dem Mainz-Spiel Anfang Februar sahen Sie erstmals Rot. Was haben Sie sich von der Mannschaft anhören müssen?

Ole Werner: Die Spieler waren kein Problem. Es war eher ein Thema, das ich mit mir selbst auszumachen hatte. Ich musste meine Strafe in die Mannschaftskasse zahlen. Und die ist schon so hoch, dass sie wehtut. Ich saß dann abends am Küchentisch und habe per Online-Überweisung meine Rechnung bezahlt.

Frage: In der öffentlichen Wahrnehmung sind Sie ein sehr kontrollierter Typ. Wie sind Sie abseits des Platzes?

Werner: Die zwei Leben unterscheiden sich bei mir schon sehr deutlich. Ich bin lockerer, deutlich unstrukturierter und nehme viele Dinge, die mich betreffen, nicht so ernst. Ich kann deutlich besser damit umgehen, wenn etwas nicht gelingt. Das klappt im Job weniger. Ich bin als Trainer einfach meistens konzentriert, im privaten Bereich nicht.

Frage: Wie äußert sich die Lockerheit?

Werner: Ich kann auch mal mit dem Auto in den Urlaub fahren und noch nicht wissen, ob es nach Frankreich oder Italien geht. Ich lebe spontan, brauche keinen Tagesplan und glaube, dass deshalb auch Fußballtrainer der Beruf ist, bei dem ich hängengeblieben bin. Weil du nicht weißt, was morgen passiert. Mit einem völlig strukturierten, eintönigen Alltag käme ich wahrscheinlich nicht zurecht.

Frage: Fußballtrainer war nicht ihr Karriereplan. Sie haben eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht, Deutsch auf Lehramt studiert. Wären Sie in den Jobs glücklich geworden?

Werner: Das bezweifle ich. Wenn man sich mein Leben anguckt, habe ich eigentlich alle zwei, drei Jahre etwas Neues gemacht. Das, was man noch nicht kennt, hat mich gereizt.

Frage: Sie haben auf Lehramt studiert. Eine Verlegenheitslösung?

Werner: Nein. Obwohl ich nie gut in der Schule war, habe ich mich dort immer wohlgefühlt. Und ein vernünftiges Einkommen gibt es auch. Ich habe aber bei Weitem nicht zu Ende studiert, war mehr Semester eingeschrieben als wirklich aktiv.

Frage: Immerhin konnten Sie so umsonst mit den Öffis fahren.

Werner: Das stimmt (lacht).

Frage: Wie haben Sie sich als Student finanziert?

Werner: Ich war bei Holstein Kiel schon Jugendtrainer und habe ein bisschen was verdient – zweistellig im Monat. Kein Witz! Das durften meine Eltern bei dem Zeitaufwand nicht wissen. Ich hatte einen Job im Gartenservice, habe in der Buchhaltung einer Augenklinik gearbeitet und BAföG bekommen. Eine anstrengende Zeit, weil ich die vielen Jobs koordinieren musste. Auf der anderen Seite bin ich gerne und viel feiern gewesen. Mit dem schmalen Portemonnaie, das ich hatte, habe ich trotzdem schöne Abende hingekriegt (lacht). Die Freunde habe ich immer noch. Da hat sich bei mir in den vergangenen 18 Jahren wenig getan.

Frage: Sie haben auch ein Jahr als Gärtner in Australien verbracht. Wie kam es dazu?

Werner: Eigentlich wollte ich studieren, das hat aber nicht geklappt. An gewissen Unis musste man das Abi-Zeugnis beilegen und an anderen nicht. In Kiel hätte ich es gemusst, wusste es aber nicht. Ich musste also Zeit überbrücken …

Frage: Dann ging es nach Australien.

Werner: Weil ich mit nicht viel Geld runter bin, musste ich erst mal neun Monate lang arbeiten, um danach reisen zu können. Eigentlich war die Zeit in Sydney, neun Monate mit richtigen Nachbarn, Job und Wohnung, die schönste. Das hat noch viel mehr Spaß gemacht, als dann das Land zu bereisen.

Frage: Ist noch Garten-Know-how hängengeblieben?

Werner: Damit kann ich mich blicken lassen. Ich selbst habe keinen großen Garten, helfe aber meiner Mutter, wenn die Zeit es zulässt. Ob mit der Heckenschere oder womit auch immer.

Frage: Woher kommen die Abenteuerlust und das Interesse, neue Dinge auszuprobieren?

Werner: Die Neugier habe ich von meinen Eltern. Ein Beispiel: Als ich früher im Urlaub war, gab es noch nicht in jedem Land Roaming. Dann bin ich manchmal alleine mit dem Bus durch Europa gefahren, weil am Saisonende Ende Mai keiner Zeit hatte. Ich habe mir im Baskenland Sachen aufgeschrieben, die ich dort interessant fand. Und als ich zu Hause war, hatte ich 20 Sachen, die ich googeln konnte. Das macht mir einfach Spaß.

Frage: In einer Woche sind Bundestagswahlen. In Deutschland und der Welt ist unglaublich viel los. Bereitet Ihnen das Weltgeschehen Sorge?

Werner: Es beschäftigt mich schon. Jeder merkt, dass Dinge in der Welt in Bewegung sind. Dass jahrelange Gewissheiten keinen Bestand mehr haben. Aber vieles ist so komplex, dass man es selbst nur schwer einordnen kann. Das sorgt für Verunsicherung. Ich bin in Europa in einer relativ berechenbaren Welt aufgewachsen, das verändert sich gerade.

Frage: Wie äußert sich die Verunsicherung bei Ihnen?

Werner: Ich denke über vieles mehr nach als noch vor fünf Jahren. Und es ergeben sich mehr Gespräche über Themen, die viel diskutiert und kontrovers sind. Auch bei den Spielern merkt man das. Gerade heute ging es in der Kabine darum, wofür welche Parteien bei der Bundestagswahl stehen. Ich habe schon das Gefühl, dass es für alle bei uns ein Thema ist und jeder ein ähnliches Gefühl hat wie ich. Dass man sich informieren muss, und versucht, sich eine Meinung zu bilden.

Frage: Ihr Vertrag läuft bis 2026. Laufen Gespräche über eine Verlängerung?

Werner: Es gibt schon Zukunfts-Gespräche. Aber weniger über meinen Vertrag. Eher darüber, was wir vorantreiben wollen. Es steht ein Sommer vor der Tür, der für uns wichtig sein wird, in dem Weichen gestellt werden. Sicher weiß man es nie, aber es kann gut sein, dass ein Umbruch bevorsteht.

Frage: Sie haben Werder in die 1. Liga zurückgeführt, den Verein dort etabliert. Hat bei Ihnen mal ein anderer Klub angeklopft?

Werner: Ich habe noch nie parallel mit einem Verein Gespräche geführt, wenn ich bei einem anderen gearbeitet habe. Ich bin mit dem Kopf total hier, es gibt genug zu tun und es ist nicht so, dass mir langweilig wird. Ich habe hier nicht das Gefühl, dass es abgeschlossen ist.

Frage: Aus der Zeit in Australien wird gutes Englisch übrig geblieben sein. Können sie sich eines Tages eine Station in den USA oder England vorstellen?

Werner: Es kann schon sein, dass ich die Herausforderung suche. Ich warte aber nicht auf einen Anruf mit englischer Vorwahl.

Frage: Sie haben gesagt, dass Sie vielleicht noch mal in einem ganz anderen Bereich arbeiten möchten. Was könnte das sein?

Werner: Ich komme aus einer Gegend, in der Tourismus und besonders Wassersport eine Rolle spielen. Und ich habe viele Freunde, die damit ihr Geld verdienen. Ich kann mir gut vorstellen, da mitzuarbeiten. In der Hotellerie, Gastronomie, aber auch in Surfschulen. Ich könnte Inhalte vermitteln, mit jungen Leuten zu tun haben und an der frischen Luft sein. Aber es könnte sogar sein, dass ich noch mal Lehrer werde. Um einen anderen Alltag zu haben, neue Dinge zu lernen. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem ich auf andere Art und Weise Dinge weitergeben möchte.

Frage: Surflehrer mit 50 also?

Werner: Warum nicht? Man muss dann ja nicht mehr selbst draufstehen, sondern nur erklären, wie es geht (lacht). Das ist für mich nicht total absurd – das kann man schon machen.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.



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