Verletzung von Kai Havertz: Arsenal hat ein

Verletzung von Kai Havertz: Arsenal hat ein
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Die Premier League versucht den Spielplan im Winter so zu gestalten, dass jedem Klub etwa zehn Tage ohne Pflichtspiel zur Verfügung stehen. Das Entgegenkommen soll den Spitzenfußballern eine Verschnaufpause verschaffen, und obwohl die Idee durch die zusätzlichen Spieltage in der Champions League kaum mehr umsetzbar ist, entschied sich der FC Arsenal dennoch spontan zu einem ei­nwöchigen Trainingslager. Möglich machte dies der direkte Einzug ins Königsklassen-Achtelfinale sowie ein frühes Aus im FA Cup. Wie in der Vorsaison begab sich die Mannschaft von Trainer Mikel Arteta in die Sonne Dubais. Der Plan war, dass sich die Spieler unter warmen Bedingungen erholen können und Kraft tanken für den Rest der Saison.

Stattdessen hat sich nun die angespannte Verletzungssituation in der Offensive drastisch verschärft. Denn der deutsche Nationalspieler Kai Havertz zog sich bei einer Einheit in Dubai eine schwere Oberschenkelverletzung zu, die operiert werden muss; das Rehabilitationsprogramm von Havertz werde „voraussichtlich bis in die Vorbereitung auf die nächste Saison hinein andauern“. Womit, klar, diese Saison für ihn vorbei ist. Zur Entstehung der Verletzung schilderte Arteta, Havertz habe im Anschluss an eine Standardsituation einen Schuss blocken wollen, dabei das Bein gedehnt und dann etwas im Oberschenkel gespürt. Die Diagnose sei „unerwartet“ und ein „schwerer Schlag“, räumte der Trainer ein. Zusätzlich zu Havertz fehlen Arsenal derzeit die Leistungsträger Bukayo Saka und Gabriel Martinelli (beide Oberschenkel) sowie der ständig mit Verletzungen kämpfende Torjäger Gabriel Jesus (Kreuzband).

So stehen im Angriff nur Leandro Trossard, Raheem Sterling und Ethan Nwaneri fit zur Verfügung – wobei keiner von ihnen Mittelstürmer ist. Zuletzt hatte der flexible Havertz diese Position bekleidet. Sein Langzeitausfall durchkreuzt das Titelstreben des Klubs. Im Ligaspiel bei Aufsteiger Leicester City am Samstagmittag setzte Arteta auf Trossard im Zentrum. Lange mangelte es an Durchschlagskraft, erst in der Schlussphase kam man durch einen Doppelpack des eingewechselten Mittelfeldspielers Mikel Merino zum 2:0-Pflichtsieg. Im Rahmen des Matches erzählte Arteta, dass sich aufgrund der Notlage im Angriff sogar der eigene Verteidiger William Saliba als Aushilfsstürmer angeboten habe. Saliba hatte in der Jugend mal vorn gespielt und einige Tore erzielt. Die Initiative wies Arteta charmant ab.

In der Regel kostet ein geprüfter Weltklasse-Angreifer mindestens 75 Millionen Euro

Seinen Frust über die Personallage hatte der Spanier schon kürzlich mit scharfen Worten kundgetan. Man habe die „klare Absicht“ gehabt, den eigenen Kader im Winter zu verstärken, dies jedoch diesmal „nicht geschafft“. Deshalb sei man „enttäuscht“, richtete Arteta unverblümt aus. Die Besetzung des Mittelstürmers gilt als neuralgische Stelle im Kader. Sowohl dem im November zurückgetretenen Sportchef Edu als auch seinem Interimsnachfolger Jason Ayto, der zuvor an dessen Seite gearbeitet hatte, ist es nicht gelungen, einen verlässlichen Torjäger zu verpflichten – trotz Gesamttransferausgaben von einer dreiviertel Milliarde Euro in viereinhalb Jahren. Bisher schien man zu sehr auf Jesus zu setzen, der 2022 für 50 Millionen Euro von Manchester City ausgelöst worden war.

Zudem offerierte die Lösung mit Havertz im Angriff mehr Spielstärke sowie wegen dessen Laufstärke ein für den Gegner unangenehmes Pressing. Womöglich könnten aber auch die stattlichen Ablösesummen in der Vergangenheit zuletzt zum Problem geworden sein. In der Regel kostet ein geprüfter Weltklasse-Angreifer mindestens 75 Millionen Euro. Kryptisch erklärte Arteta, es gebe finanziell einige Dinge, bei denen man „in der Spur bleiben“ müsse. Die Vakanz im Management nach dem Edu-Abschied könnte nun vielleicht eine Chance für DFB-Weltmeister Per Mertesacker sein, der die Jugendakademie des Klubs seit Jahren profiliert leitet. Der 40-Jährige hatte einst im SZ-Interview gesagt, an Tätigkeiten wie speziell der des Sportdirektors interessiert zu sein.

Arsenals Zögern auf dem Transfermarkt in Hinblick auf einen Mittelstürmer passt zur Gemengelage. Zwar zählt der Klub inzwischen wieder zur europäischen Elite, aber der sehnlich erwartete große Titelgewinn steht weiter aus. Seit 21 Jahren wartet Arsenal auf die Premier-League-Meisterschaft, die Champions League hat man derweil noch nie gewonnen. In gewisser Hinsicht passt die gegenwärtige Stagnation des Vereins auf Spitzenniveau zur persönlichen Situation des Spielers Havertz. Seit seinem Wechsel zu den Gunners 2023 kommt er auf beachtliche 41 Torbeteiligungen in 85 Pflichtspielen. Damit hat er seine Bilanz im Vergleich zu seiner vorherigen Station beim Stadtrivalen Chelsea, mit dem er die Champions League 2022 gewonnen hatte, deutlich verbessert. Mit 15 Pflichtspieltoren ist er in dieser Saison sogar erfolgreicher als in all den anderen Jahren in England.

Für den letzten Schritt von Havertz zu einem internationalen Ausnahmespieler hat es jedoch trotz der Veranlagung bisher nicht gereicht. Die Divergenz zeigt sich daran, dass von ihm in dieser Spielzeit neben der Verletzung ein verballerter Elfmeter bei der FA-Cup-Niederlage gegen Manchester United hängen bleiben wird. Daraufhin wurden er und seine schwangere Frau im Internet beleidigt und bedroht. Die Erwartung an ihn in London ist bisweilen immens – weil Arsenal so auf ihn angewiesen ist. Auch bei der Nationalelf dürfte Havertz‘ Fehlen eine Lücke reißen. Aufgrund der gleichzeitigen Abwesenheit von Niclas Füllkrug von West Ham United steht Bundestrainer Julian Nagelsmann für das Nations-League-Viertelfinale gegen Italien in Tim Kleindienst (Borussia Mönchengladbach) nur ein erprobter Mittelstürmer zur Verfügung.

Immerhin verschafft Kai Havertz der Zeitpunkt der Verletzung die unfreiwillige Möglichkeit, nach der Reha ausgeruht ins WM-Jahr zu starten.



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