Leverkusen, ein aufpolierter Standort

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Jubel Trainer Xabier Alonso (Bayer 04 Leverkusen), Xabi Alonso mit Geschaeftsführer Fernando Carro de Prada (Bayer 04 Le
Erfolgsfaktoren: Trainer Xabi Alonso (li.) und Klubchef Fernando Carro. © IMAGO/Weis/TEAM2sportphoto

Seit Fernando Carro bei Bayer Leverkusen am Ruder ist, ist die Strahlkraft des Werksklubs viel größer geworden. Die Gründe für die bemerkenswerte Entwicklung sind passende Personalentscheidungen.

Gut einen Monat ist es jetzt her, dass Fernando Carro auf dem Sportbusinesskongress Spobis in Hamburg das letzte Wort gehörte. Vor ihm hatte gerade Max Eberl, der Vorstandskollege vom FC Bayern im großen Saal geredet, als der Vorstandschef von Bayer Leverkusen gewissermaßen das Schlusswort sprach. Der Talk lief unter dem Titel „Zwischen Meisterschaft und Weltbühne“, wobei der gebürtige Spanier zuerst betonte, dass er bereits bei seinem Amtsantritt im Sommer 2018 große Sehnsucht nach Titeln gespürt habe – und die ist auch mit dem Double 2023/2024 noch nicht gestillt. Die Devise für diese Spielzeit lautet eben auch: „Wir nehmen alles!“ 

Die Meisterschaft scheint allerdings bei acht Punkten Rückstand kaum mehr realistisch, der DFB-Pokal mit dem Halbfinale beim Drittligisten Arminia Bielefeld schon eher. Was in der Champions League geht, zeigen die Achtelfinals mit dem FC Bayern. Hinspiel jetzt am Mittwoch (21 Uhr/DaznN) in der Münchner Arena. Dass kein Favorit auszumachen ist, zeichnet allein die gute Arbeit unter dem Bayer-Kreuz aus. Das Double im vergangenen Jahr geriet zur Machtdemonstration eines klug komponierten Kaders unter meisterlicher Anleitung: Die Werkself spielte einen so attraktiven Fußball, dass der Mannschaft viele Herzen zuflogen.

Glücksfall Rolfes

Die perfekte Saison tat einem lange nur belächelten Standort gut, an dem gefühlt auf ewig das Etikett „Vizekusen“ zu kleben schien. Doch als der Quereinsteiger Carro kam, änderte sich vieles. Der frühere Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Tochter Arvato, einem Dienstleistungsunternehmen mit knapp 70 000 Beschäftigten, tauschte anfangs wichtige Führungskräfte aus. „Am Ende geht es immer um Personalentscheidungen. Sie sind das A und O. Ich weiß, dass am Ende sehr viel von den entscheidenden Verantwortlichen abhängt“, so der 60-Jährige. Marketing und Vertrieb, Kommunikation und der Sport bekamen neue Chefs.

Mehrfach nannte es der in Barcelona aufgewachsene Carro seine „beste Personalentscheidung bei Bayer 04“, den Ex-Spieler Simon Rolfes erst 2018 zum Sportdirektor, dann 2022 zum Geschäftsführer Sport zu machen, obgleich mit dem populären Rudi Völler ein Mann des Volkes diese Stelle besetzt hatte.

Alles sei schließlich dem Ziel untergeordnet, „den sportlichen Erfolg zu maximieren.“ Das sei auch der entscheidende Unterschied zur Wirtschaft: Im Sport zähle eben „nicht zuerst das finanzielle Ergebnis“. Und an noch was musste sich der erste Mann gewöhnen: die öffentliche Aufmerksamkeit. „Nahezu alles, was wir tun oder auch nicht tun, wird medial abgebildet, täglich. Alles ist kurzfristiger.“ Ihn hielt es trotzdem nicht ab, langfristig zu planen. „Sicher ist im Fußball nie was. Aber eine klare Strategie ist wichtig.“ Als das Bundesliga-Team im Herbst 2022 in eine Krise schlidderte, habe man noch einmal die Leitplanken verändert.

Die Entscheider wagten es, Xabi Alonso als Cheftrainer zu verpflichten. Der zweite Glücksgriff. Seitdem ist die Marke vielleicht so sexy wie nie zuvor, steht Bayer 04 Leverkusen laut Carro für „Erfolgshunger, Mut und Qualität, aber auch Nähe und Innovationskraft“. Im Grunde wurde in anderthalb Jahren alles aufpoliert: der Klub, der Konzern auch die Stadt. Der Umsatz kletterte auf mehr als 350 Millionen Euro, die Mitgliederzahl stieg um fast 70 Prozent auf rund 66 000, es gibt eine lange Warteliste für Dauerkarten, vergangene Saison gingen 75 000 Trikots weg.

Doch die Bayern sind in jeder Kategorie eine andere Hausnummer: Laut Budget rangiere Leverkusen ohnehin nur auf Platz vier, versicherte Carro, noch hinter Borussia Dortmund und RB Leipzig, daher wollte der Boss auch nicht von einer Wachablösung sprechen. Allein durch ihren Rekordumsatz von 951 Millionen Euro sind die Möglichkeiten in München ganz andere. „Um an der Spitze der Bundesliga zu bleiben, muss man als Klub in der Lage sein, seine Topspieler zu halten. Das ist uns in diesem Jahr gelungen. Wir können aber kaum verhindern, dass Spieler irgendwann zu den größten Vereinen der Welt gehen, die noch mal größere wirtschaftliche Möglichkeiten haben.“

Wirtz wie Havertz

Dass der Ausnahmeakteur Florian Wirtz irgendwann genau wie einst Kai Havertz weiterzieht, ist kaum zu verhindern. Ohnehin ist der Kader gespickt mit Klassespielern, die international Begehrlichkeiten wecken. Bayer Leverkusen muss wachsen, um sich dauerhaft unter den 16 besten Mannschaft Europas zu positionieren. Langfristig spiele der US-Markt eine wichtige Rolle, kurzfristig bringt natürlich jede Runde in der Königsklasse enorm viel, erläuterte Carro. Alles folge dieser Devise: „Wir versuchen mit unseren finanziellen Möglichkeiten intelligent umzugehen. Am Ende haben wir in der Führung des Vereins keinen direkten Einfluss auf die Geschehnisse auf dem Spielfeld. Aber wir tun alles dafür, mit unseren Entscheidungen die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg auf dem Platz zu erhöhen.“ Was inzwischen eindrucksvoll gelingt.



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