
Bochum. Tom Krauß hat Anthony Losilla auf die Bank verdrängt. Eine Datenanalyse zeigt, dass die Wachablösung dem VfL-Spiel enorm hilft – und zwar nicht nur gegen den Ball.
Trainer Dieter Hecking überlegte nicht lange. Dani de Wit, meinte er auf die Frage, ob der Niederländer mal wieder von Beginn an spielen könnte in München, biete sich im Training an, „er bringt seine Leistung.“ Doch beim größtmöglichen Außenseiter-Spiel beim FC Bayern an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) „sehe ich ein anderes Mittelfeld“, sagte Hecking.
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Dani de Wit, der wohl teuerste Spieler im Kader, spielt sportlich längst nur noch eine Nebenrolle, ebenso wie mittlerweile der ein gutes Jahrzehnt lang gesetzte Anthony Losilla. Der Kapitän nimmt im Team, beim Training, in der Kabine als „Integrationsminister“ und Führungsspieler auch ohne viel Spielzeit eine wichtige Rolle ein. Auch de Wit lässt sich nicht hängen. Gesetzt aber sind andere.
Bochums Mittelfeldtrio ist gesetzt – Krauß verdrängt Losilla
Hecking hat seine Mittelfeldzentrale gefunden: Ibrahima Sissoko, Matus Bero und Tom Krauß bilden das Herzstück. Krauß, zuvor Stammkraft in der zweiten englischen Liga bei Luton Town, lieh der VfL Ende Januar vom FSV Mainz aus bis zum Saisonende.
Nach wenigen Trainingstagen wechselte ihn Hecking gegen Freiburg gleich ein. Gegen Kiel (2:2), Dortmund (2:0), Wolfsburg (1:1) und Hoffenheim (0:1) spielte er von Beginn an. Seit dem Freiburg-Spiel hat der bald 39-jährige Losilla, dessen Position Krauß übernahm, sein Stammplatz-Abo verloren.
Losillas Werte klar schwächer – Es liegt nicht nur am Kapitän
Zahlreiche Werte etwa in den Bereichen Zweikampf und Pass-Spiel hat der VfL mit Krauß auf dem Feld gesteigert, das belegen die Daten des Datenanalyse-Unternehmens Createfootball. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Mannschaft unter Hecking insgesamt deutlich stabiler auftritt als etwa zu den teils vogelwilden Zeiten unter Peter Zeidler und Markus Feldhoff. Ein Fortschritt, der die persönlichen Werte von Krauß‘ Vorgänger auf seiner Position, Anthony Losilla, eben auch nach unten drückt.
Krauß aber hat einen großen Anteil daran, dass der VfL weiter hoffen darf auf den Klassenerhalt. Ein „klares Qualitäts-upgrade“ leitet createfootball aus den Zahlen ab. So hat der VfL etwa bei den gewonnenen Defensivduellen (von rund 52 auf 61 Prozent), bei den kreierten Chancen (von 8,5 pro Spiel auf 11,6) oder bei den Ballgewinnen (von 40 auf 47 Prozent) einen Sprung gemacht.
Das Pressing funktioniert: Ein Topwert in der Liga
Und: Die Effizienz beim Pressing, einem wichtigen Element des VfL-Spiels, ist vom zweitschwächsten Wert der Liga (11 Prozent) auf den fünfthöchsten Wert (15 Prozent) geklettert. Bochum ist hier derzeit auf Europa-League-Niveau.
Krauß bringt seine hohe Intensität und läuferische Qualität ein. Mit zwölf Bodenzweikämpfen pro 90 Minuten (Losilla: 7,4) und einer Pressing-Effizienz von 21 Prozent (Losilla: 12 Prozent) liegt er unter allen von Createfootball bewerteten 93 Bundesligaspielern (zentrales Mittelfeld/mindestens 900 Einsatzminuten in dieser Saison) in den Top fünf.
Sechs Ballgewinne pro Spiel: Tom Krauß ist auch im Ligavergleich stark
Auch bei den Balleroberungen hebt er Bochum auf ein anderes Level. Krauß kommt auf sechs Ballgewinne pro Partie, Losilla auf 3,5 – der Ligaschnitt liegt bei fünf Ballgewinnen. In einer Kategorie aber liegt Losilla vor Krauß, nämlich mit durchschnittlich 1,7 abgefangener Pässe des Gegners (Krauß: 0,8).
Überhaupt toppt Krauß in etlichen Kategorien nicht nur Losilla deutlich, sondern liegt auch klar über dem Ligaschnitt. Mit dem Ex-Schalker erzielt der VfL nicht nur insgesamt mehr Ballgewinne und hält den Gegner effektiver vom Tor fern, sondern er überbrückt auch mit dem Ball deutlich häufiger gegnerische Linien (progressive Pässe) und kreiert mehr Torgefahr in Umschaltsituationen, so ein Fazit der Analyse.
Pässe mit Raumgewinn: Krauß hebt das Level im Umschaltspiel
Eine Erfolgsquote von 76 Prozent bei den Pässen ins letzte Drittel zeugen von seinem Spielverständnis, auch seinen Fähigkeiten im Spiel mit Ball. Mit dem technisch und läuferisch starken Georgios Masouras, der auch in die Tiefe zieht, gibt es dabei seit dem Kiel-Spiel eine neue wichtige Anspielstation. Auch Masouras, der zweite Wintertransfer, trägt zur höheren fußballerischen Qualität bei.
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Mit 9,1 progressiven Pässen, die viel Raumgewinn erzielen, ist Krauß klar die Nummer eins beim VfL (Losilla: 4,3/Ligaschnitt: 6). Er leitet nach erfolgreicher Balleroberung viele Kontersituationen ein, ist am Ball auch unter Druck sicherer als Losilla, was dem Übergangsspiel des VfL mehr Stabilität verleiht, so die Datenanalyse.

Tom Krauß, hier beim 0:1 gegen Hoffenheim mit Arthur Chaves, gibt dem Spiel des VfL Bochum mehr Stabilität und auch Kreativität, belegen Daten von „createfootball“.
© Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing
1,5 Chancen pro Partie hat Krauß bisher kreiert (Losilla 0,4), auch das ist ein guter Wert für einen zentralen Mittelfeldmann mit vielen Defensivaufgaben (Ligaschnitt: 1). Allerdings sprang noch kein Tor dabei heraus. Auch sein eigener Abschluss ist verbesserungswürdig. Luft nach oben gibt es auch bei der Passquote insgesamt (80 Prozent, Ligaschnitt 85), wobei Krauß auch hier vor Losilla liegt (76 Prozent). Unter Gegnerdruck ist der Unterschied noch deutlicher (Krauß 78, Losilla 70 Prozent).
Bayern wird rotieren
Nach dem 3:0 gegen Leverkusen ist für den FC Bayern vor dem Rückspiel im Achtelfinale der Champions League – dazwischen kommt der VfL Bochum in die Allianz Arena. „Das Wichtigste ist, dass alle Spieler frisch sind. Es ist eine Notwendigkeit, den ganzen Kader zu verwenden“, sagte Trainer Vincent Kompany auf der Pressekonferenz.
Entsprechend ist mit vielen Änderungen zu rechnen. Leroy Sane, Serge Gnabry, Thomas Müller etwa sind Startelf-Kandidaten vorne, geschont werden könnten Jamal Musiala, Kingsley Coman, Michael Olise. Mittelfeldmann Aleksandar Pavlovic fällt weiterhin aus, für Manuel Neuer (Muskelfaserriss) steht Talent Jonas Urbig im Tor. Bei Bochum fehlen Ivan Ordets, Gerrit Holtmann und Myron Boadu.
So könnten sie spielen:
FC Bayern: Urbig – Stanisic, Upamecano, Dier, Ito – Kimmich, Joao Palhinha – Gnabry, T. Müller, L. Sané – Kane
Alternativen: Ulreich, Boey, Davies, Guerreiro, M.-J. Kim, Coman, Goretzka, Laimer, Musiala, Olise, Vidovic
VfL Bochum: Horn – Oermann, Masovic, Medic, Bernardo, Wittek -Sissoko, Bero, Krauß – Hofmann, Masouras
Alternativen: Drewes, Gamboa, Tolba, Passlack, de Wit, Losilla, Miyoshi, Pannewig, Bamba, Broschinski. Passlack könnte auch als rechter Schienenspieler beginnen, Oermann dann in die Dreierkette rücken für Masovic.
Herausragend ist Krauß‘ Klasse im Umschaltspiel mit schnellen Pässen in die Spitze: Er spielt 2,9 Vertikalpässe nach Ballgewinn pro Spiel, fast einen mehr als die Profis im Ligaschnitt (2) und als Losilla (2,1).
Bald neues Tattoo bei Krauß: „Harte Arbeit zahlt sich aus“
Die nicht messbare Mentalität spielt freilich gerade im Abstiegskampf eine wichtige Rolle. Losilla bringt sie mit – Krauß auch. Er ist ein Typ, der immer gewinnen will, der immer den Ball fordert, auch im Training. Er ist defensiv ein „ekelhafter Spieler“, wie er selbst über sich sagt. Sein Motto „Harte Arbeit zahlt sich aus“ will sich der 23-Jährige bald sogar tätowieren lassen, verriet er nun den Vereinsmedien.
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Seine Zweikampfhärte, Laufstärke, Pressing-Intensität und Präzision im Vertikalspiel zeichnen Kraus aus. Exakt diese Stärken sind im Abstiegskampf bedeutend, bilanziert „createfootball“.
Hecking vor Bayern-Spiel: „Werden viel leiden müssen“
Auf mentale und physische Stärke wird es auch bei den Bayern ankommen. „Wir werden in München viel leiden und laufen müssen“, meinte Trainer Dieter Hecking am Tag vor der Abreise. Es gelte, gegen die Dominanz der Champions-League-Bayern kräftig „Widerstand“ zu leisten – und selbst aktiv zu sein. Einen selbstbewussten Auftritt fordert Krauß, man dürfe als Team „keine Angst haben“, erklärt der Mittelfeldmann. „Sonst brauchen wir auch gar nicht anzutreten.“