
In der Krise des BVB werden Spekulationen laut, Hans-Joachim Watzke könnte seinen Abschied verschieben. Kann der Klubchef nicht loslassen?
Dortmund – Mit dem Sieg im Playoff-Hinspiel bei Sporting in der Champions League hat die Mannschaft von Borussia Dortmund Hans-Joachim Watzke zuletzt ein Jubiläumsgeschenk gemacht. Am 11. Februar 2005 stieg der heute 65-Jährige beim BVB in die Tätigkeit des Geschäftsführers ein, die offizielle Berufung erfolgte einige Tage später.
Seit über 20 Jahren also hat Watzke in Dortmund die Richtlinienkompetenz. Der Diplom-Kaufmann hat sich große Verdienste erworben, indem er maßgeblich an der Rettung des Klubs vor dem Untergang beteiligt war. Im Dreigestirn mit Jürgen Klopp und Michael Zorc sorgte Watzke für ein sportliches Revival, das unter anderem in zwei Meisterschaften mündete. Dass der BVB zur zweiten Großkraft im deutschen Fußball wurde, ist untrennbar mit ‚Aki‘ verbunden.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke ist der Multifunktionär
Im Herbst will sich Watzke endgültig aus der Geschäftsführung des BVB zurückziehen. Im Klubumfeld wird damit gerechnet, dass er anschließend als Präsident des Vereins kandidieren wird. Nun aber machen Gerüchte die Runde, Watzke könne seinen Abschied verschieben. Die eklatante sportliche Krise in Dortmund soll an seinen Plänen rütteln.
Das Magazin Sport Bild berichtet über entsprechende Gedankenspiele beim Machtmenschen Watzke, der neben seiner Tätigkeit beim BVB als Multifunktionär auch Aufsichtsratsvorsitzender der DFL, Vizepräsident des DFB und Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees ist. Hinter vorgehaltener Hand ist die Idee schon länger Tuschelthema in Dortmund. Dass sich Watzke Sorgen über sein Lebenswerk beim BVB macht, liegt auf der Hand.

Er möchte seinen Nachfolgern im Herbst ein bestelltes Feld hinterlassen. Schon im vergangenen Jahr gab der Klubchef Macht ab, das sportliche Tagesgeschäft liegt bei Lars Ricken, der vom Boss der Nachwuchsabteilung in die Geschäftsführung aufstieg. Dort ist seit Jahren schon Carsten Cramer für die Bereiche Vertrieb & Marketing, Internationalisierung sowie Digitalisierung zuständig. Nach dem Abschied von Watzke wird Cramer aller Voraussicht in eine noch größere Führungsrolle rücken.
Qualifikation zur Champions League scheint für Dortmund illusorisch
Im Business-Bereich muss sich niemand ernste Sorgen um den BVB machen, der etwa die Folgen der Corona-Pandemie bewältigt hat. Im fußballerischen Kerngeschäft treibt die desaströse laufende Bundesliga-Saison jedoch Sorgenfalten auf die Stirn. Die ordentlichen Leistungen in der Champions League, in der Dortmund am Mittwochabend einen historischen Kollaps hinlegen müsste, um das Achtelfinale zu verpassen, sind lediglich ein schwacher Trost.
Nachdem Neu-Trainer Niko Kovač als erster BVB-Coach seit 1984 mit zwei Niederlagen in der Bundesliga gestartet ist, ist die neuerliche Qualifikation zur Königsklasse in weite Ferne gerückt – sofern man nicht an ein Titelwunder in der Champions League selbst glaubt. Sollte Dortmund den wichtigsten Klubwettbewerb der Welt erstmals seit der letzten Saison von Jürgen Klopp verpassen, wäre das eine Zäsur.
Mega-Umbruch im Sommer, nicht nur im BVB-Kader?
Zwar ließ Watzke zuletzt aufhorchen, indem er die Folgen einer solchen schweren Enttäuschung recht nonchalant beschrieb, gar so locker würde die Sache beim BVB intern jedoch sicher nicht hingenommen werden. Schon jetzt ist die Rede von einem Großreinemachen nicht nur in der Mannschaft.
Dass ein Umbruch im Team unumgänglich ist, wird in der laufenden Saison überdeutlich. Aber auch darüber hinaus sind Veränderungen möglich. Wenn Kovač krachend an der Mission Champions League scheitern sollte, wird er trotz Vertrags bis 2026 kaum über die Klub-WM im Sommer hinaus Trainer beim BVB bleiben.
Sportdirektor Sebastian Kehl mag den Machtkampf gegen Sven Mislintat für den Moment gewonnen haben und unterschrieb erst im Januar einen neuen Vertrag, als Architekt des wohl schwächsten BVB-Kaders seit Jahren ist sein Posten aber gewiss auch nicht sicher.
BVB-Sportchef Lars Ricken hat sein Profil geschärft
Und auch die Position von Ricken könnte schon nach einem Jahr in den Fokus rücken, wenn seine Maßnahmen der letzten Wochen nicht den gewünschten Erfolg bringen sollten: Der Sportchef war die Triebfeder bei den Trennungen von Mislintat und dem glücklosen Trainer Nuri Şahin, stellte auch Klubberater Matthias Sammer erfolgreich ins Achtung.
Damit hat Ricken sein Profil deutlich geschärft. Es geht aber auch ein Risiko einher: Wenn der BVB die Champions League oder gar den Europapokal insgesamt verpassen sollte, wäre dies auch untrennbar mit dem Helden von 1997 verbunden.
Ob Ricken beim BVB und in der Öffentlichkeit den Rückhalt hätte, um die nötigen Umbauten im Kader und auf der Führungsebene voranzutreiben, sei dahingestellt. Geradezu unweigerlich wird so der Ruf an Watzke laut, seinen Abschied zu verschieben und seine Führungsstärke noch einmal einzusetzen, um den Ausweg aus der Krise zu ermöglichen.
Watzke eckt bei Fans und Mitgliedern des BVB an
Dabei ist die Frage erlaubt, warum Watzkes nächster Anlauf gelingen sollte, seine Nachmieter zu bestimmen und das BVB-Haus besenrein zu übergeben. Der Klubchef hat die Schwarzgelben schließlich nicht nur zum Erfolg geführt, sondern auch den schrittweisen Absturz in Richtung Mittelmaß zu verantworten, den Dortmund nicht erst in dieser Saison erlebt, von dem die Fast-Meisterschaft 2023 und das Champions-League-Finale 2024 nur kurzzeitig abgelenkt haben.
Dass der „BVB in einem Personenkult um Jürgen Klopp gefangen“ ist, wie ein Insider zuletzt im Interview mit fussball.news, dem Fußball-Portal von IPPEN.MEDIA, erklärte, liegt nicht zuletzt an Watzke, der zudem viele Fans mit seinen öffentlichen Auftritten etwa zum Thema Rheinmetall-Sponsoring inzwischen eher abschreckt. Für seine Lebensleistung beim BVB sind Mitglieder und Anhang dem Klubchef zu ewigem Dank verpflichtet, das beinhaltet jedoch keineswegs einen unkritischen Umgang.
Machtmensch Watzke würde womöglich schmeicheln, wenn an ihn die Bitte herangetragen würde, seinen Abschied aufzuschieben, um etwa eine Top-Lösung wie Markus Krösche von Eintracht Frankfurt als Sportboss zu installieren. Der Versuchung, doch noch ein Jahr im operativen Geschäft zu bleiben, sollte Watzke jedoch widerstehen.
Nach fast 21 Jahren muss der Staffelstab weitergereicht werden. Ganz würde sich Watzke auch als Präsident sicher nicht verabschieden, dennoch wären eine wichtige Trennschärfe und Gestaltungsfreiraum für die Nachfolger gegeben.