
Niko Kovač ist knapp einen Monat Cheftrainer beim BVB. Der erste Eindruck im Verein ist überwiegend positiv. Die Ergebnisse müssen folgen.
Dortmund – Während des Siegs in der Champions League gegen Schachtar Donezk sickerte bei Borussia Dortmund die Nachricht durch, dass Niko Kovač den Trainerposten von Interimscoach Mike Tullberg und Vorgänger Nuri Şahin übernehmen würde.
Der Klub sah sich Ende Januar in Person von Lars Ricken spät Abends zu einem Statement gezwungen, in dem der Sportchef die Einigung mit dem Kroaten bestätigte. Kovač hatte nach dem Aus von Şahin schnell den Favoritenstatus inne, sein Dementi im französischen Fernsehen war taktischer Natur.
Niko Kovač bekam in Dortmund Vertrag bis 2026
Gescheitert wären die Gespräche allenfalls in der Frage der Vertragslänge. Letztlich hat Dortmund sich auf anderthalb Jahre eingelassen, wobei die FIFA Klub-WM im Sommer für beide Parteien maßgeblichen Einfluss nahm. Die offizielle Linie des BVB lautet dabei, die Vertragslänge sei in den Gesprächen mit Kovač gar kein großes Thema gewesen.
Klar ist: Auch ein Vertrag für die kommende Saison garantiert nicht, dass Dortmund sie tatsächlich mit Kovač angeht. Der Trainer muss in den kommenden Monaten liefern, das Team in den Europapokal führen und vor allem für Stabilität sorgen. Für eine echte Bilanz ist es nach vier Wochen im Amt selbstredend noch zu früh. Erste Eindrücke lassen sich aber sehr wohl gewinnen.

Das Zauberwort beim BVB heißt Vertrauen
Sie fallen überwiegend positiv aus. Den Fußball erfindet Borussia Dortmund unter Niko Kovač nicht neu, dafür wurde der vormalige Coach der kroatischen Nationalmannschaft, von Eintracht Frankfurt, des FC Bayern und VfL Wolfsburg aber auch nicht geholt. Die Richtung gab der 53-Jährige schon in seiner ersten Spieltagspressekonferenz vor.
„Keep it simple. Wenn man es einfach hält – die Jungs haben Titel geholt, Nationalmannschaft gespielt, da muss man den Spielern das Vertrauen geben, dass sie gewisse Sachen selbständig regeln können“, sagte Kovač vor seinem Debüt. Das endete zwar in einer Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart, das Zauberwort des ersten Monats beim BVB hatte der Trainer damit dennoch gesprochen: Vertrauen.
Kovač beim BVB eher Vaterfigur als „Harter Hund“
Während manche Kritiker sich in der Spekulation darüber, welchen großen Namen Kovač beim BVB als Erstes „rasieren“ würde, hat der Übungsleiter sofort erkannt, dass die Mannschaft eine starke Schulter braucht. Anstelle des vielfach angekündigten „Harten Hunds“ hat mit Kovač eher eine Vaterfigur übernommen. Der Trainer stellt sich in einer Art und Weise vor die Mannschaft, die bisweilen schon fast übertrieben wirkt.

Dabei hat Kovač bewusst in Kauf genommen, dass er für Schönrederei kritisiert wird. Er hat erkannt: Beim BVB steckt immer noch viel Qualität drin. Sie lässt sich aber nicht aus den Spielern quetschen, sondern sie müssen in die Lage gebracht werden, diese Qualität von sich aus zum Vorschein zu bringen.
Erinnerung an „berüchtigten“ Co-Trainer von Jürgen Klopp
Allerdings muss zwischen der Außendarstellung und der täglichen Arbeit durchaus unterschieden werden. Auf dem Trainingsplatz werden die BVB-Profis stärker gefordert als in der jüngeren Vergangenheit. Manche im Verein fühlen sich an die Zeiten erinnert, als Željko Buvač, Co-Trainer von Jürgen Klopp, für die Trainingsgestaltung zuständig war.
Der Bosnier war unter den BVB-Profis vor allem für die sogenannte „Schweineübung“ berüchtigt: Meistens gegen Ende der intensiven Trainingslager bat Buvač dabei 60 Minuten lang zu Steigerungsläufen mit Ball, die selbst die austrainiertesten Kicker an den Rand ihrer Reserven führten.
Kovač setzt mitten in der Saison Laktattest an
Ganz so intensiv ist die Trainingsarbeit unter Kovač aktuell natürlich nicht, zumal seine ersten Wochen beim BVB ob des Spielplans Englische Wochen waren. Bemerkenswert: Zuletzt ließ der Chefcoach laut Medienberichten einen Laktattest durchführen, um besseren Aufschluss über den Fitnesszustand seiner Spieler zu erhalten. Eine solche Maßnahme mitten in der Saison ist keineswegs üblich.
Sie zeigt, dass Kovač in Dortmund nichts dem Zufall überlassen mag. Und sie passt zu dem Eindruck, den der Klub in den ersten Wochen von seinem Coach gewonnen hat. Die Formulierung „Akribischer Arbeiter“ ist keine Floskel, wenn es um Kovač geht. Der gebürtige Berliner und sein Bruder Robert verbringen einen Großteil ihrer Zeit auf dem Trainingsgelände im Dortmunder Stadtteil Brackel.
Von Dortmund kann Kovač noch nicht viel gesehen haben
Auch wenn Robert Kovač dank seiner Vergangenheit als Abwehrspieler beim BVB die schönen Ecken der Ruhr-Metropole Dortmund kennt – viele wird er seinem Bruder Niko noch nicht gezeigt haben. Lediglich die Fahrtstrecke zwischen Hotel, Trainingsgelände und Signal Iduna Park soll der Übungsleiter schon bestens kennen.
Für ihn sind harte Arbeit und Seriosität Grundvoraussetzungen. Kovač neigt nicht zur großen Emotionalität, die viele seiner Vorgänger ausgezeichnet hat. In der so schwierigen Situation des BVB hatte die Klubführung um Lars Ricken auf diesen Konterpunkt gesetzt. Der „Impuls von außen“ war wichtig, um die aus den Fugen geratene Saison vielleicht doch noch einzufangen.
Noch ist der Aufwärtstrend des BVB unter Kovač ein zarter
Ergebnistechnisch ist das bisher nur bedingt gelungen. Das Erreichen des Achtelfinales der Champions League sowie das 6:0 gegen Union Berlin sind positiv, zuvor kassierte Kovač als erster BVB-Trainer nach über 40 Jahren zwei Bundesliga-Niederlagen zum Start in sein Amt. Am Samstag muss Dortmund endlich zum Serientäter in der Liga werden, um von einem echten Aufwärtstrend sprechen zu können: Ein Sieg beim FC St. Pauli ist mehr oder minder Pflicht.
Damit würde sich ein Eindruck von Kovač verfestigen, der im Umfeld des BVB schon jetzt vorherrscht: Dass der Trainer mit seiner Erfahrung, Ruhe und Ausstrahlung genau der richtige Mann war, um den freien Fall aufzuhalten und wieder ein ordentliches Leitungsfundament zu gießen. Mit der Frage, ob Kovač auch der richtige Mann sein wird, um im zweiten Schritt darauf aufzubauen, muss sich der BVB aktuell noch nicht befassen.