
Trotz Trainerwechsel kriselt es weiter in Dortmund. Der BVB taumelt nach dem blamablen 0:2 in Bochum. Warum schafft es niemand, den Sturzflug aufzuhalten? Fünf Probleme lähmen den Verein seit Jahren.
Wie tief will der BVB noch sinken? Die Talfahrt kennt offenbar keine Grenzen, es geht immer weiter bergab für den großen Traditionsclub. Die Borussia befindet sich seit Jahren in einer bedrohlichen Abwärtsspirale, nur verkennen die Verantwortlichen den bösen Trend.
Aktuelle Lage? Platz elf in der Bundesliga, acht Punkte von den Champions-League-Plätzen entfernt. Erst ein Ligasieg im neuen Kalenderjahr. Unter Niko Kovac, der für den gescheiterten Nuri Sahin übernahm, gab es zum Start gleich zwei Pleiten.
Damit ist der Kroate der erste Dortmunder Trainer seit Timo Konietzka im August 1984, der mit zwei Bundesliga-Niederlagen in seinen neuen Job startete. Konietzka hielt sich nur elf Spiele an der schwarz-gelben Seitenlinie.
Fünf BVB-Probleme lähmen die Borussia
Im DFB-Pokal findet der BVB seit der Zweiten Runde schon nicht mehr statt (0:1 beim VfL Wolfsburg), einzig die Königsklasse hält die Dortmunder im Gespräch. Das 3:0 im Hinspiel bei Sporting Lissabon machte die Tür zum Achtelfinale weit auf, am Mittwoch steht im heimischen Westfalenstadion das Rückspiel an.
Aber eine gute Spielzeit in der Königsklasse sollte nicht schon wieder über die fundamentalen Probleme in der Mannschaft hinwegtäuschen – das passierte den Verantwortlichen schon nach der Vorsaison, als der BVB trotz anhaltender Krise ins Finale nach Wembley stürmte (0:2 gegen Real Madrid).
Fünf übergreifende Probleme lähmen den BVB seit Jahren.
1. BVB-Problem: Die ewige Mentalitätsdebatte
Die ständigen Mentalitätsdebatten umgeben die Borussia wie die grauen Wolken am Himmel. Schon vor fünfeinhalb Jahren explodierte Marco Reus auf diverse Nachfragen, Stichwort „Mentalitätsscheiß“. Seitdem hält sich das Thema und wird zur traurigen Identität der Mannschaft.

Wenn sich dann noch der Abwehrchef höchstselbst hinstellt und die „Basics im Fußball“ vermisst, dann sollte vielmehr als nur Alarmstufe Rot herrschen.
Die Basics im Fußball? „Zweikämpfe annehmen, Zweikämpfe gewinnen, das muss sich schleunigst ändern. Wenn wir das nicht hinbekommen, stehen wir zu Recht da, wo wir stehen. Wir müssen das schnell hinkriegen, sonst wird es eine Horrorsaison“, erklärte Nico Schlotterbeck.
Es war eine der wenigen Stimmen nach dem Bochum-Spiel, weil sich kein Spieler abseits der verpflichtenden TV-Interviews den Fragen der Journalisten stellte. Leere in der Dortmunder Mixed-Zone. Bezeichnend.
Aber was wäre sonst schon aus den Mündern der Spieler gekommen? Wie oft schon redeten sich die Kicker eine Niederlage schön? Getreu dem Motto: So schlimm war es doch nicht. Spielerisch sah es ja gut aus. Selbstkritik oder Reflexion? Fehlanzeige.
Die Spieler baden in einer Selbstgefälligkeit, sind mit Wenig zufrieden. Das ist nicht die Mentalität einer Gewinnermannschaft, nicht die Mentalität eines würdigen Meisters.
2. BVB-Problem: Fehlende Spieler-Entwicklung
Ralf Rangnick, der vor wenigen Wochen sogar als Trainerkandidat gehandelt wurde, ist „kein Freund von Mentalitätsdebatten“, wie er bei der „Bild“ sagte. Es sei aber bezeichnend, dass viele Spieler vor ihrer Zeit beim BVB über Jahre gute Leistungen bei ihren vorherigen Vereinen gezeigt hätten.
Er könne sich nicht vorstellen, dass diese Spieler nun plötzlich gerne verlieren würden. Als Beispiel nennt er Österreichs Nationalspieler Marcel Sabitzer, den er als Ösi-Bundestrainer nur zu gut kennt. Bei ihm gehöre er zu den absoluten Leistungsträgern, in Dortmund sei er aktuell gar nicht wiederzuerkennen.

Viele Spieler haben in Dortmund nach ihrem Wechsel den nächsten Schritt verpasst. Ob der zuletzt abgewanderte Donyell Malen, ob Karim Adeyemi oder Giovanni Reyna in der Offensive. Ob Salih Özcan oder Felix Nmecha im Mittelfeld oder auch Niklas Süle in der Abwehr. Ein ähnliches Schicksal droht den Sommertransfers Waldemar Anton, Pascal Groß und Maximilian Beier.
In der Vergangenheit konnte dies von den alles überstrahlenden Superstars Jadon Sancho, Erling Haaland und Jude Bellingham kaschiert werden. Doch sie waren Ausnahmetalente.
Ein Grund für die fehlende bzw. stagnierende Entwicklung sind die vielen Trainerwechsel, ein anderer die generelle Transferpolitik.
3. BVB-Problem: Transferpolitik
Dass diese beiden Punkte aber unwiderruflich miteinander verknüpft sind, analysierte auch Rangnick bei „Bild“: „Man hat nicht das Gefühl, dass als Überschrift steht: Wie wollen wir eigentlich spielen? Wie wollen wir auftreten? Wie wollen wir wahrgenommen werden? Da kann man den Spielern nicht den Vorwurf machen. Sondern das liegt daran, dass über Jahre hinweg dieser Fixpunkt einer Spielidee nicht mehr verfolgt worden ist.“
4. BVB-Problem: Keine Führungsspieler
Und eine führungslose dazu. Während in der Vereinshauptstelle zu viele Bosse herumtanzen, gibt es auf dem Rasen zu wenig. Kapitän Emre Can ist sportlich angezählt und hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Nico Schlotterbeck und Julian Brandt können ihre Rolle (noch) nicht erfüllen – besonders Brandt wird seinen hohen Ansprüchen seit Jahren nicht gerecht.
Vor der Saison gab der Verein in Marco Reus, Mats Hummels und Niclas Füllkrug drei wichtige Führungsspieler ab. Sie waren die Bosse in der Kabine, Lautsprecher und Motivatoren – und Typen, die den Finger in die Wunde legten. Ihren Wert für das Mannschaftsgefüge haben die Vereinsbosse verkannt.

Didi Hamann, Sky-Experte und Dauerkritiker des BVB, legte nach dem 0:2 in Bochum wieder los. „Wenn es nicht geht und wenn keine Besserung in Sicht ist, musst du irgendwann mal einen Schnitt machen“, sagte der 51-Jährige und zählte die Profis an.
Nur ein radikaler Umbruch könne dem Verein helfen. „Vor dieser Entscheidung stehen sie jetzt bei sechs bis acht Spielern. Das mag teuer werden, vor allem wenn du nicht in die Champions League kommst. Aber mit der Truppe, so wie die zusammengestellt ist, ist Hopfen und Malz verloren.“
5. BVB-Problem: Arroganz
Wer das anders sieht? BVB-Oberhaupt Hans-Joachim Watzke. Der Geschäftsführer wollte auf der Spobis Conference in Hamburg Anfang Februar die aktuelle Lage nicht schwarzmalen. Das Verpassen der Champions League sei selbst für zwei Jahre für den Verein verkraftbar, man werde das ohne Probleme überstehen.
Der HSV und der geliebte (Achtung, Ironie) Rivale aus Gelsenkirchen können ein Lied davonsingen. Als mahnendes Beispiel betrachtet Watzke die in die zweite Liga abgestürzten Bundesliga-Riesen offenbar nicht.
Der BVB ist schließlich der BVB. „Dann macht der BVB ein oder zwei Transfers, dann ist wieder alles im Lot“, so Watzke. Das hat im Sommer ja ebenfalls gut geklappt (Achtung, wieder Ironie).
Bis dahin sind der FC Bayern und Bayer Leverkusen längst enteilt. Auch RB Leipzig, Eintracht Frankfurt und der VfB Stuttgart sägen am Stuhl der langjährigen Nummer zwei des deutschen Fußballs. Wird den BVB-Bossen der Ernst der Lage nicht bald bewusst, geht die Abwärtsspirale unaufhörlich weiter.