
Kovac sagt seltsame Dinge
Bei Borussia Dortmund herrscht blankes Entsetzen
16.02.2025, 06:24 Uhr
Die Krise von Borussia Dortmund ist doch nicht überwunden. Der Sieg bei Sporting Lissabon hat der Mannschaft keine Stabilität und kein Selbstvertrauen gegeben. Beim VfL Bochum blamiert sich das Team bis auf die Knochen. Über eine Aussage kann man sich nur wundern.
Im Bochumer Ruhrstadion fühlten sich die Fans des VfL am Samstagnachmittag um fast 20 Jahre zurückversetzt. Im Revierderby gegen Borussia Dortmund bekamen sie endlich wieder “Gutes vom Griechen” serviert. Bebende Theofanis-Gekas-Vibes erfassten das Stadion, es erklang wieder der Sirtaki, Georgios Masouras hatte zweimal getroffen. In der 33. und 35. Minute tanzte das Stadion im Takt des Griechen. Der Tabellenletzte der Bundesliga hatte den BVB doppelt geschockt. Vier Tage nach der 45-Minuten-Gala in der Champions League bei Sporting Lissabon rissen sich die Schwarzgelben ihre klitzekleine Euphorie in einer fürchterlichen Saison wieder ein.
Sie hatten hernach für einen kurzen Moment große Wut in sich gespürt. Nach dem 0:2, so endete das Spiel auch, waren die Dortmunder wie Furien nach vorne gestürmt. Zweimal verpasste Serhou Guirassy ein Tor, einmal war es Nico Schlotterbeck. Der VfL ging höchst verdient mit der klaren Führung in die Pause und nahm das Glück der Tüchtigen einfach mal mit. Dieses Mal lief es anders als im Hinspiel. Als die Bochumer ebenfalls mit 2:0 führten und dann unmittelbar vor der Pause ein Gegentor kassierten. Guirassy traf. Am Ende gewann der BVB 4:2.
Im Zweikampf geht der BVB unter
Tore: 1:0 Masouras (33.), 2:0 Masouras (35.)
Bochum: Horn – Oermann, Ordets, Masovic, Bernardo – Sissoko, Krauß (90. Losilla) – Masouras (88. Broschinski), Bero, Holtmann (74. Gamboa) – Hofmann (88. De Wit). – Trainer: Hecking
Dortmund: Kobel – Süle (63. Couto), Can, Schlotterbeck, Svensson – Sabitzer (46. Özcan), Groß (80. Reyna) – Adeyemi (63. Duranville), Brandt, Gittens (58. Beier) – Guirassy. – Trainer: Kovac
Schiedsrichter: Harm Osmers (Hannover)
Gelbe Karte: Bernardo (4)
Zuschauer: 26.000 (ausverkauft)
Viel ist seither passiert. Die Bochumer haben sich von Trainer Peter Zeidler getrennt, dessen Engagement als ganz großes Missverständnis in die Geschichte des Klubs eingeht. Und die Dortmunder haben den traurigen Nuri Şahin vor die Tür gesetzt. Für Zeidler übernahm Dieter Hecking, der die chaotische Mannschaft nach und nach stabilisiert und mittlerweile zu einem echten Herausforderer im Abstiegskampf geformt hat. In Dortmund sprang kurzfristig der hyperemotionale Mike Tullberg erfolgreich ein, ehe Niko Kovac übernahm. Was es gebracht hat? Gute Frage.
Noch unter der Woche waren sie hellauf begeistert. Hatten sich nach dem Spiel in Lissabon auf dem richtigen Weg aus der Krise gewähnt und sahen etwas Gutes heranwachsen. Doch das zarte Frühlingspflänzchen der Hoffnung starb im frostigen Bochum. Und die Dortmunder sind so wieder einmal mit der immer gleichen Debatte konfrontiert. Warum ist diese Mannschaft selten bis nicht in der Lage gegen kampfstarke Gegner voll dagegenzuhalten? Warum ist sie so wehr- und mittellos? Wo sind die Führungskräfte? Außer Emre Can war niemand zu sehen. Dabei wussten sie doch genau, was sie in Bochum erwartet. Keine ballverliebte Mannschaft, wie es Sporting war, sondern ein Team, das sich in jeden Zweikampf wirft, das das Stadion mitreißen kann, wenn es rennt, kämpft und grätscht. Aber von der Borussia kam nahezu nichts. Und wieder herrscht Vollalarm.
“Es ist nicht so, dass es zum dritten oder vierten Mal passiert, es passiert zum siebten oder achten Mal”, ärgerte sich Abwehrspieler Nico Schlotterbeck und redete sich in einem Monolog in Rage: “Wenn du weißt, was dich in Bochum erwartet, musst du das Spiel annehmen und das haben wir nicht geschafft, vor allem am Anfang. Die Basics im Fußball, Zweikämpfe annehmen und dann führen, das muss sich schleunigst ändern. Wenn wir das nicht hinbekommen, sind wir da, wo wir gerade stehen, auch zu Recht. Wir müssen es schnell hinbekommen, denn sonst ist die Saison eine Horrorsaison. Ich hoffe, wir bekommen es hin und ich glaube auch daran.”
“Wir dürfen nicht anfangen in Panik zu verfallen”
Woher er den Glauben nimmt, unklar. Im Ruhrstadion wird er auch in einer ausführlichen Analyse nichts finden, das auf eine gute Zukunft des BVB hindeutet, der in der Bundesliga auf Platz elf abgestürzt ist und nur noch einen Zähler Vorsprung vor dem FC Augsburg hat. Das ist nicht die Welt, in der sich die Dortmunder sehen. Aber es ist die Welt, in der die Dortmunder leben. Die erneute Qualifikation für die Champions League ist mit nun acht Zählern Rückstand über den Weg Bundesliga ein fast utopisches Ziel geworden. Und ob es erneut gelingt, in der Königsklasse einen so furiosen Lauf hinzulegen, wie in der vergangenen Saison, als das Finale erreicht und gegen Real Madrid knapp verloren worden war? An diesem Samstagnachmittag klingt das völlig absurd.
Die Bochumer hatten dem BVB nicht nur physisch zugesetzt, sie waren auch spielerisch die bessere Mannschaft. Hatten beste Gelegenheiten verpasst, früh auf 3:0 zu stellen. Und immer wieder hatte Masouras seine Füße im Spiel. Der Grieche war im Wintertransferfenster auf den letzten Drücker gekommen. Nach zwei vergeblichen Versuchen in den vergangenen Einkaufsphasen hatte es nun endlich geklappt. Und bereits im zweiten Spiel hat er den VfL für sich erobert. Griechen und Bochum, das passt. Wie einst bei Gekas, diesem Stürmer, der ständig im Abseits stand und trotzdem mit 20 Treffern Torschützenkönig der Bundesliga wurde. Nach nur einer Saison ging er nach Leverkusen. Kultstatus “anne Castroper” ist ihm aber bis heute gewiss.
Beim 1:0 nun drückte Masouras den Ball über die Linie, beim 2:0 ersprintete er einen katastrophalen Rückpass von Niklas Süle und blieb cool. Der BVB hatte bis dahin eine gute Chance durch Guirassy gehabt, die VfL-Torwart Timo Horn, der erstmals seit fast drei Jahren wieder Bundesliga und für den erkrankten Patrick Drewes spielte, stark entschärfte. “Wenn der Ball reingeht, geht das Spiel vielleicht ein bisschen anders aus, aber wir haben es nicht geschafft”, befand Kovac. “In der zweiten Halbzeit haben wir dann so gut wie nichts kreiert.” Die Bochumer spielten dagegen weiter offensiv nach vorne, ignorierten, dass ihnen mit Myron Boadu der torgefährlichste und beste Stürmer verletzt fehlte und berauschten sich zunehmend am eigenen Mut. Kovac sah das alles geschockt mit an, strapazierte danach weiter das Wörterbuch der Fußballweisheiten und bat: “Wir dürfen nicht anfangen in Panik zu verfallen. Wir sind nicht in Panik, aber wir müssen schleunigst gewinnen.”
Seine vorgeführten Spieler verschwanden nach der Partie weitgehend wortlos. Viele waren an diesem Samstag Totalausfälle gewesen. Etwa die Tempodribbler Karim Adeyemi oder Jamies Gittens, der auf seine Auswechslung wütend reagiert hatte. Niemand wollte offenbar erklären, was einfach nicht mehr zu erklären ist. Schlotterbeck und Torwart Gregor Kobel erfüllten ihre TV-Pflichten, der Rest indes schwieg. In der Mixed Zone tauchte niemand auf, ungewöhnlich. Ebenso wie die Erklärung des Trainers dazu: “Die Jungs haben jetzt ihr Programm”, so Kovac. “Wir spielen in vier Tagen wieder, deswegen ist klar, dass sie Maßnahmen unternehmen, damit sie möglichst schnell regenerieren und so schnell wie möglich die Nahrung zu sich führen, die sie jetzt brauchen, um dementsprechend schneller wieder an Bord zu sein. Ich bin ja da, das reicht.” Aber wofür?