
Die spielerische Qualität des BVB unter Niko Kovač enttäuscht. Unterschiedsspieler Jamie Gittens ist tief in einem Leistungsloch gefangen.
Dortmund – Als Niko Kovač den Trainerposten bei Borussia Dortmund übernahm, spekulierten viele Beobachter, die den Kroaten kritisch sehen, darüber, welchen Star er als erstes ‚rasieren‘ würde, um ein Zeichen zu setzen.
Immerhin hatte sich der 53-Jährige bei vorherigen Stationen des Öfteren mit großen Namen angelegt. Ob aus absoluter Überzeugung, oder um einen Claim abzustecken, das sei dahingestellt. Beim BVB versucht es Kovač bisher auf die sanfte Art. Immer wieder betont der Trainer, wie viel Vertrauen er seinen Spielern einimpfen möchte, damit sie endlich ihr Potenzial mit einer gewissen Verlässlichkeit abrufen.
Zum größten Sorgenkind der noch jungen Kovač-Ära wird jedoch mit Jamie Gittens ausgerechnet der BVB-Profi, der im bisherigen Saisonverlauf noch am häufigsten für den Unterschied sorgen konnte.
Jamie Gittens enttäuscht nicht erst gegen Sporting
Sowohl bei der 0:2-Niederlage in Bochum als auch der langweiligen Nullnummer gegen Sporting am Mittwochabend wurde der Engländer absolut folgerichtig ausgewechselt, weil er völlig wirkungslos blieb. Immer wieder rennt sich Gittens dieser Tage bei Dribblings fest, seine Entscheidungsfindung im letzten Drittel, ohnehin noch eine deutliche Schwäche beim 20-Jährigen, lässt derzeit extrem zu wünschen übrig.
In Bochum nahm Kovač den Flügelspieler nach 58 Minuten raus, beim schleichenden Gang zur Ersatzbank lieferte sich Gittens sogar ein Wortgefecht mit Teilen der Gästekurve. Gegen Sporting hatte der Chefcoach schon nach einer Halbzeit genug gesehen. Offiziell hatte dies keine Leistungsgründe.

„Es ging darum, dass wir ein gutes Ergebnis hatten und mit den Kräften haushalten müssen. Deshalb habe ich ihn in der Halbzeit runtergenommen: Nicht, weil er schlecht war, sondern es war eine Maßnahme, dass wir ihn ein bisschen schonen“, erklärte Kovač nach dem Spiel zu Gittens.
Wann verordnet BVB-Coach Kovač für Gittens eine Pause?
Der Cheftrainer bleibt sich damit seiner Linie treu: Er will beim verunsicherten BVB-Team nicht mit harter Hand weiter draufhauen, sondern Vertrauen ausstrahlen und sich vor die Spieler stellen. Jedoch drängt sich die Frage auf, ob es zielführend ist, schwache Leistungen zu beschönigen und auch die sportlichen Konsequenzen zu vermeiden.
Schon nach der Partie in Bochum hätte sich eine Pause für Gittens angeboten, die mit Blick auf den 3:0-Hinspielsieg in Lissabon als Schonungsmaßnahme gewiss für weniger Gesprächsstoff gesorgt hätte als eine Auswechslung nach 45 Minuten. Spätestens nach der extrem schwachen Vorstellung gegen den portugiesischen Meister drängt sich ein Bankplatz für Gittens auf.
Alle Scorerpunkte unter Ex-BVB-Trainer Nuri Şahin
Die Frage lautet dabei, warum der Tempodribbler in ein solches Loch gefallen ist. Starke 15 Scorerpunkte hatte Gittens unter Nuri Şahin gesammelt, seit dessen Beurlaubung ist keiner mehr hinzugekommen. Die Leistungskurve zeigt vor allem unter Kovač steil nach unten.
Ist Gittens das erste Opfer des Kovač-Fußballs beim BVB? Dem Trainer wird schon länger vorgeworfen, seine Mannschaften zwar zu ordentlicher Arbeit gegen den Ball und im Umschaltspiel erziehen zu können, im Ballbesitz aber keine große Idee zu entwickeln. In den ersten vier Spielen von Kovač in Dortmund fliegen viele Flanken und zischen viele flache Hereingaben von den Flügeln in den Strafraum.
Gittens ist aber eher ein Spieler, der sich mit seinen Dribblings selbst in Abschlusssituationen bringen will und vor allem in engen Räumen kombiniert. Dass er die Defensivarbeit eher als lästiges Übel wahrnimmt, sehen ihm die Kollegen so lange nach, wie der Engländer mit Einzelaktionen für entscheidende Momente in der Offensive sorgt.
Gittens scheint dieser Tage beim BVB klassisch ‚überspielt‘
Kovač nach nur vier Spielen die Schuld an einem Negativtrend bei Gittens zu geben, der auch schon zuvor eingesetzt hatte, ginge sicherlich zu weit. „Jamie hat in der Hinserie richtig klasse gespielt. Es ist für ihn jetzt schwieriger, auch aufgrund der gesamten Gemengelage“, analysierte der BVB-Coach am Mittwoch durchaus zutreffend.
Gittens scheint dieser Tage klassisch ‚überspielt‘, auch fehlen ihm Selbstvertrauen und Leichtigkeit, für die es nicht zuletzt Erfolgserlebnisse brauchen dürfte. In der Hinsicht reiht sich der Jungstar in eine längere Liste von BVB-Profis ein. Wegen seiner mangelnden Erfahrung kann kaum vom Juniorennationalspieler erwartet werden, dass er mit Leistung vorangeht.
Waren die Transfergerüchte für BVB-Jungstar Gittens eine zu große Ablenkung?
Nicht auszuschließen ist wohl auch, dass es zuletzt die ein oder andere Ablenkung zu viel war, die sich um Gittens drehte. Trotz noch erheblicher Defizite in seinem Spiel wird über Transfers in der Größenordnung von bis zu 100 Millionen Euro Ablöse fantasiert, verschiedene Berichte schrieben Gittens schon zum FC Bayern oder den Tottenham Hotspur.
Dass so etwas bei einem Spieler, der noch in der sportlichen, aber auch der Persönlichkeitsentwicklung steckt, nicht spurlos vorbeigeht, noch dazu, wenn das Team insgesamt in der Krise steckt, liegt auf der Hand.