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VonLars Pollmann
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Bei der Blamage in Bochum patzt BVB-Verteidiger Niklas Süle schwer. Dass Niko Kovač ihn überhaupt aufstellt, spricht Bände über die Kaderplanung.
Dortmund – Borussia Dortmund hat in der Bundesliga durch die 0:2-Niederlage beim Tabellenschlusslicht VfL Bochum einen neuen Tiefpunkt erreicht: Die Schwarzgelben haben nach 22 Spieltagen mehr Niederlagen als Siege auf dem Konto, ein negatives Torverhältnis und den gleichen Abstand zu Rang 14 wie Rang vier.
Dass beim BVB überhaupt noch von der kommenden Champions-League-Saison gesprochen wird, spottet eigentlich jeder Beschreibung und lässt sich nur mit dem Selbstverständnis erklären, das der Klub noch in sich trägt, das aber mit Nicht-Leistungen wie in Bochum mehr und mehr bröckelt.
Keine Rotation in der englischen Woche von Dortmund
War es über Monate, wenn nicht gar Jahre, die Mentalitätsfrage, die dem BVB immer und immer wieder gestellt wurde, ist längst auch die Qualitätsfrage erlaubt. Der Kader ist unstimmig zusammengestellt, es fehlt auf zu vielen Positionen an gangbaren Alternativen, die völlig außer Form geratene Profis ersetzen können. Trainer Niko Kovač ist noch nicht lange dabei und hält sich mit kritischen Worten in der Öffentlichkeit zurück.
Was er von seinem Kader hält, drückt der Übungsleiter mit seinen Aufstellungen aus: In einer englischen Woche mit Spielen am Samstag, Dienstag und Samstag, also mit durchaus hoher Belastung, setzte der Kroate auf einen Stammkern von Spielern, der nur notgedrungen verändert wurde. Sogenannte Alternativen scheinen für Kovač in Wahrheit keine zu sein.
Überdeutlich machte Kovač seine Haltung beim Spiel in Bochum gegenüber der Besetzung der Rechtsverteidiger-Position.
Niklas Süle patzte bei der BVB-Blamage in Bochum entscheidend.
© IMAGO/Revierfoto
Kovač gibt klaren Hinweis, wie er den BVB-Kader bewertet
Stammkraft Julian Ryerson war nach Gelb-Roter Karte aus der Pleite gegen den VfB Stuttgart gesperrt, an seiner Stelle entschied sich der Trainer für Niklas Süle. Der ist nicht nur gelernter Innenverteidiger, sondern auch ohne jeden Rhythmus, nachdem er sich zweimal in der laufenden Saison schwerer am Sprunggelenk verletzt hatte. Seit dem Hinspiel gegen Bochum Ende September hatte es Süle auf ganze drei Einsätze gebracht, nur einer davon entfiel auf das Jahr 2025 – und der dauerte gegen Sporting in der Champions League auch nur etwas mehr als die Nachspielzeit.
Es war also ein völliger Kaltstart, den Süle in einem kleinen Revierderby beim aggressiven VfL Bochum hinlegen musste, weil Kovač den etatmäßigen Rechtsverteidiger Yan Couto nicht imstande sah, die Position auszufüllen. „Die Spieler, die seit Jahren in der Bundesliga spielen, kennen wir alle. Yan ist erst vor kurzem hergekommen, da brauche ich noch ein bisschen Zeit um ihn zu scannen. Er ist sicherlich eine Alternative hinten rechts, wobei er schon eher ein Wing-Back als ein Full-Back ist“, sprach der Trainer am Freitag im besten Fußball-‚Denglisch‘ über Couto.
Niklas Süle erwischt rabenschwarzen Nachmittag in Bochum
Damit meinte Kovač, dass er Couto nicht als Außenverteidiger in einer Viererkette gebrauchen kann, sondern ihn als Flügelspieler in einem System mit Dreierkette sieht. Dort kann der Brasilianer seine Offensivstärke ausspielen, ohne zu viel defensive Verantwortung zu tragen. Zu einer Systemumstellung konnte sich Kovač nun jedoch nicht durchringen, also ließ er Süle trotz fehlenden Rhythmus‘ beginnen.
Dass der (Ex-?) Nationalspieler einen ziemlich schwarzen Nachmittag erwischte, passt ins Bild, das der BVB derzeit abgibt. Süle war die mangelnde Praxis anzumerken, schon vor seinem fatalen Fehlpass zum 2:0 für Bochum, das Dortmund den sprichwörtlichen Genickbruch versetze, wirkte der Verteidiger, als sei er nicht im Spiel. Wenn man es auf die Spitze treiben mag, hat dieses Gegentor die Kaderpolitik des BVB entlarvt.
Dortmund scheint vom Profil von Yan Couto überrascht
Couto hat zweifelsohne seine Qualitäten, die auch auf gutem Niveau in Spanien beim Überraschungsteam der Vorsaison, dem FC Girona nachgewiesen. Dass sich diese Qualitäten allerdings weitgehend auf den Vorwärtsgang beschränken, war jedem Beobachter völlig klar. Beim BVB scheint man jedoch überrascht, jedenfalls weiß mit Kovač nun schon der dritte Trainer der Saison nicht so recht etwas mit Couto anzufangen.
Dass der Brasilianer in Bochum selbst einen ebenso schlimmen Fehlpass wie Süle spielte, bei dem jedoch Torhüter Gregor Kobel zur Rettung eilte, ist wohl eher dem völlig fehlenden Selbstvertrauen geschuldet als dem Umstand, dass Couto lieber offensiv mitmacht, als die defensiven Hausaufgaben zu erledigen. Trotzdem war es für ihn nach der Einwechslung für Süle ein weiterer Auftritt, der mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert.
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Parallelen zwischen BVB-Einkäufen Couto und Beier
Couto steht dabei geradezu sinnbildlich für einen Kader, bei dem offenbar in erster Linie Spieler gesammelt wurden, die ihre Qualitäten haben, bei dem aber kaum darauf geachtet wurde, ob sie auch zu einem sinnvollen Gebilde zusammengefügt werden können. Gewiss sind die Leistungen von Couto noch enttäuschender, aber gewisse Parallelen zur Situation etwa von Maximilian Beier sind festzustellen.
Beim EM-Fahrer besteht die Hoffnung, dass er einen beim BVB keineswegs untypischen längeren Anlauf braucht, um sich zurechtzufinden. Als vielseitiger Offensivspieler wird Dortmund für Beier in Zukunft eine Verwendung finden. Bei Couto sind da Fragezeichen angebracht.
BVB ließ sich auf Kaufverpflichtung ein, die schon gegriffen hat
Wenn der Brasilianer tatsächlich alleine für die Rolle des Flügelverteidigers im System mit Dreierkette taugt, für das es dem BVB aber an anderer Stelle fehlt, war Couto schlichtweg ein Fehleinkauf. Das größte Ärgernis ist dabei, dass der 22-Jährige noch als Leihspieler in Dortmund aktiv ist. Sportdirektor Sebastian Kehl und Co. ließen sich jedoch im Deal mit Manchester City auf eine Kaufverpflichtung ein, die bereits gegriffen hat.
Bis zu 30 Millionen Euro soll der feste Transfer, der bürokratisch erst im Sommer abgeschlossen wird, den BVB kosten. Gemessen an den bisherigen Leistungen von Couto in Dortmund wäre selbst ein Drittel dieser Summe deutlich zu viel. Das gilt umso mehr, wenn die mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbleibenden Einnahmen aus der Champions League in die Überlegung einbezogen werden.
Der BVB wird im Sommer mutmaßlich den ein oder anderen Spieler verkaufen müssen, um die Lücken zu füllen, wie Hans-Joachim Watzke zuletzt bereits überraschend nonchalant erklärte. In einer solchen Situation eine hohe Ablöse für Couto abzudrücken, schmerzt doppelt und dreifach.
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