
Beim Blick auf die Anzeigetafel nach Spielende konnte man aus Sicht des 1. FC Union Berlin nichts Positives erkennen. Was im sechsten Bundesliga-Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund gut begann, endete in einer 0:6 (0:2)-Klatsche, die am Ende nur noch schmerzte und bei der die Eisernen zum Aufbaugegner für zuvor einen angeschlagenen Gegner wurden. Im Kampf um den Klassenerhalt wird das beim Blick auf die bislang gute Tordifferenz doppelt bitter. Doch erst einmal muss dieses 0:6 schnell aus den Köpfen der Spieler.
Steffen Baumgart und Niko Kovac erst seit wenigen Wochen im Amt
Von diesem Ergebnis war im Vorfeld nicht auszugehen: Dortmunds Geschäftsführer tippte im Vorfeld auf einen knappen 2:1-Sieg. Im Duell Borussia Dortmund gegen den 1. FC Union Berlin stand eher das Aufeinandertreffen zweier Trainer, die die jeweiligen Vereine noch gar nicht so lange betreuen, im Fokus. Steffen Baumgart ist im Vergleich zu als Niko Kovac, der erst Anfang Februar in Dortmund von Nuri Sahin übernommen hat, immerhin seit Jahresbeginn in Köpenick schon etwas länger für seine Mannschaft verantwortlich. Beide eint, über das Spiel vom Samstagabend hinaus, die Aufgabe, an ihren jeweiligen Standorten die Vorgaben zu erfüllen.
Hier wie dort fehlte den Verantwortlichen unter den vorherigen Trainern die Stabilität über die Saison hinweg, vor allem aber stimmten die Ergebnisse nicht. Bei den Eisernen war die Welt nach dem 2:1-Hinspielsieg gegen den BVB noch in Ordnung, ehe sich dreieinhalb Wochen später die sportliche Lage drehte. Aus Sicht der damals unterlegenen Borussen kristallisierte sich hingegen diese Niederlage keineswegs als Ausrutscher heraus, sondern war nur eine von vor der Partie insgesamt neun Pleiten, welche die Dortmunder nach den anderen Ergebnissen vom Nachmittag vor dem Anpfiff auf den zwölften Platz der Bundesliga abrutschen ließen.
Fünfmal hatten die Eisernen bislang in der Bundesliga in Dortmund gespielt – noch nie hatten sie dort gewinnen, nicht mal ein Unentschieden erzielen können. Der Zeitpunkt, diese Null-Punkt-Statistik etwas aufzuhübschen, schien bei all den Problemen, die die Gastgeber in den vergangenen Wochen und Monaten zeigten, so gut wie nie zu sein. Das schien auch Steffen Baumgart so zu sehen, weshalb er gegenüber den Vorwochen personell wenig änderte. Drei positionsgetreue Wechsel nahm der Union-Trainer im Vergleich zur Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach vor: Der Ex-Dortmunder Tom Rothe rückte für den verletzten Robert Skov in die Startelf, Lucas Tousart kam für Janik Haberer und András Schäfer für Tim Skarke.

Andrej Ilic (l.) stand zum zweiten Mal in Folge in der Startelf des 1. FC Union Berlin.Moritz Eden/City-Press
Das hieß auch, dass Andrej Ilic zum zweiten Mal in Folge im Sturm von Beginn an auf dem Platz stand. „Ich glaube, dass er, was Fleiß und Intensität angeht, viel mitgebracht hat. Viele Sachen, die wir erwarten, gerade das Anlaufen, macht er gut. Wenn du jemanden suchst, der trifft, dann hat er die letzten beiden Spiele getroffen. Und daran werden Stürmer gemessen“, sagte der Trainer vor der Partie zu seiner Entscheidung am Mikrofon von Sky.
Der Fokus der Unioner, das war schnell zu erkennen, lag aber nicht primär auf der Offensive, sondern auf der defensiven Stabilität, die in der Vorwoche in der ersten Hälfte gegen die Borussia aus Mönchengladbach punktuell nicht zu sehen war und für die Gegentore sorgte. So nutzte Baumgart also die Anlauffähigkeiten von Ilic und Sturmpartner Benedict Hollerbach, wenn sich der Ball in der Dortmunder Hälfte befand. War die Kugel über die Mittellinie gelangt, positionierten sich die Mittelfeld- und Abwehrreihen kompakt vor dem eigenen Strafraum und ließen praktisch keine Räume zu.
Ein zentraler Torschuss von Pascal Groß nach Flanke des Ex-Unioners Julian Ryerson, der für Frederik Rönnow kein Problem war, geriet so in der siebten Minute im Prinzip zur ersten und lange Zeit einzigen Chance. Das Konzept der Köpenicker ging auf: Serhou Guirassy, der praktisch nicht in das Spiel eingebunden wurde, zog sich in der 20. Minute sogar bis in den Mittelkreis zurück, um mal überhaupt den Ball zu berühren. Die Unzufriedenheit des Dortmunder Stürmers war in dessen Gesten in Richtung seiner Mitspieler deutlich zu erkennen.
Steffen Baumgart und die in Rot und Weiß gekleideten 3000 mitgereisten Union-Fans konnten im Prinzip zufrieden sein. Es brauchte einen Fehler oder in diesem Fall eher eine Fehlerkette, als die Eisernen in der 25. Minute mehrfach die Chance hatten, einen harmlosen Angriff konsequenter zu klären, aber den Ball immer wieder einem Dortmunder in den Fuß spielten. Am Ende landete das Spielgerät bei Ryerson, der auf der rechten Seite ein paar Meter lief, danach auf das Tor schoss und somit Diogo Leite ins Spiel brachte: Der Union Verteidiger wollte den im Prinzip ungefährlichen Schuss klären, fälschte den Ball aber ins eigene Tor unhaltbar für Rönnow ab.
Auf Pech in dieser Szene folgt nur vier Minuten später etwas Glück, als Maximilian Beier auf Vorlage von Karim Adeyemi die Latte traf. Der BVB wirkte kurzzeitig zielstrebiger, aber die Eisernen ließen sich davon nur kurz beeindrucken und kehrten schnell zur erfolgreichen Linie vor dem 0:1 zurück. Das wirkte optisch nicht sonderlich schön, aber stellte die Dortmunder in einer schwierigen Phase vor eine schwierige Aufgabe. Und in der bekamen die Gastgeber vor der Pause ein zweites Mal Unterstützung der Gäste. Eine Flanke wurde eigentlich geklärt, weil aber Wooyeong Jeong den Ball im Zweikampf an der rechten Außenlinie prompt wieder herschenkte, konnte Pascal Groß flanken und Guirassy, der in der ersten Hälfte nur 15 Ballkontakte hatte, aus Nahdistanz locker zum 2:0 einköpfen (40.).

Serhou Guirassy (r.) köpft aus kurzer Distanz zum 2:0 für Borussia Dortmund ein.Moritz Eden/City-Press
Defensiv zwei Fehler, die zu Gegentoren führten, stand in der ersten Hälfte offensiv im Prinzip nur ein Torschuss von Hollerbach gegenüber. Das aber war für Steffen Baumgart kein Grund, um personelle und taktische Änderungen vorzunehmen. Und dieses Vertrauen schien sich erst einmal positiv auf die Leistung seiner Spieler auszuwirken. Die probierten direkt nach dem Seitenwechsel offensiv etwas mehr, konnten dabei aber keine gefährlichen Abschlüsse kreieren.
Borussia Dortmund macht es nach der Pause deutlich
Das optische Mini-Hoch aber war im einsetzenden Regen von Dortmund schnell verflogen. Der BVB erlangte mehr und mehr die Kontrolle über Gegner und Spiel. Nach dem eingangs erwähnten Spielstand aber sah es dennoch lange nicht aus. Bis zur 74. Minute hielten die Unioner das 0:2, doch in der Schlussphase ging die Mannschaft von Steffen Baumgart unter. Dann aber traf Guirassy noch dreimal und Beier schraubte das Ergebnis gar auf 6:0 für die Dortmunder.
Durch eigene Fehler hatten die Köpenicker den BVB in der ersten Hälfte auf die Siegerstraße gebracht und in der Schlussphase dafür gesorgt, dass sich die Dortmunder den Frust der Vorwochen von der Seele schossen. Frustriert und konsterniert gingen stattdessen die Eisernen erst zu ihren Fans und anschließend in die Kabine. Die Niederlage jedoch muss schnell aus den Köpfen. Denn: Im Kampf um den Klassenerhalt muss der Fokus mit Beginn der neuen Woche auf das Heimspiel gegen Holstein Kiel gerichtet werden.